Bundesgerichtshof entscheidet zu Baukostenzuschüssen für Batteriespeicher | McDermott

Bundesgerichtshof entscheidet zu Baukostenzuschüssen für Batteriespeicher

Überblick


Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 15. Juli 2025 seine mit Spannung erwartete Entscheidung (EnVR 1/24) zu Baukostenzuschüssen (BKZ) für Batteriespeicher (BESS) getroffen. Unter BKZ werden einmalige Aufwendungen für den Ausbau des vorgelagerten Netzes bei der Herstellung oder Verstärkung eines Netzanschlusses verstanden, die vom Netzbetreiber erhoben und vom Anschlussnehmer zu entrichten sind. Im zugrundeliegenden Sachverhalt hat der BGH entschieden, dass die Erhebung eines BKZ für einen BESS grundsätzlich zulässig ist und sich die Berechnung nach den von der BNetzA festgelegten Maßstäben zu erfolgen hat, wie sie auch für andere Letztverbraucher gelten.

Die Entscheidung des BGH hat über den Einzelfall hinaus große Bedeutung für die gesamte Energie- und Speicherbranche und Auswirkungen auf die weitere Entwicklung, Finanzierung und Wirtschaftlichkeit von BESS-Projekten in Deutschland. Die Entscheidungsgründe des BGH sind noch nicht veröffentlicht, aber der Pressemitteilung zur Entscheidung des BGH lassen sich bereits wesentliche Aussagen entnehmen.

Weitere Informationen


Sachverhalt

Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Antragstellerin (Kyon Energy) betreibt bundesweit Batteriespeicher. Im Mai 2021 begehrte die Antragstellerin von der einer Verteilnetzbetreiberin den Netzanschluss eines BESS mit einer maximalen Lade- und Entladeleistung von 1,725 MW und einer Speicherkapazität von 3,45 MWh. Der BESS sollte als rein netzgekoppelter (sog. Stand-Alone-Speicher) errichtet und betrieben werden, wobei ein Verbrauch der zwischengespeicherten Energie vor Ort nicht beabsichtigt war und stattdessen eine Vermarktung in Form des Stromhandels am Intraday-Markt sowie der Erbringung von Regel- und Blindleistung geplant war.

Die Netzbetreiberin wies der Antragstellerin einen Netzverknüpfungspunkt in ihrem 20 kV Mittelspannungsnetz zu und verlangte die Zahlung eines Baukostenzuschusses (BKZ). Die Höhe des BKZ berechnete sie auf der Grundlage des Positionspapiers der BNetzA zur Erhebung von Baukostenzuschüssen aus dem Jahr 2009 (BK6p-06-003) nach dem sogenannten Leistungspreismodell (Multiplikation der vertraglich vereinbarten Leistungsbereitstellung mit dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder der Vertragsanpassung geltenden veröffentlichten Leistungspreis).

Mit Antrag vom 20. Juni 2022 initiierte die Antragstellerin bei der BNetzA (Antragsgegnerin) ein besonderes Missbrauchsverfahren gegen die Verteilnetzbetreiberin (weitere Beteiligte) gemäß § 31 EnWG und forderte die BNetzA hierin auf, der Verteilnetzbetreiberin die Geltendmachung des BKZ für den BESS dem Grunde und hilfsweise der berechneten Höhe nach zu untersagen. Die BNetzA wies diesen Antrag mit Beschluss vom 6. Dezember 2022 zurück (BK6-22-242) und begründete dies damit, dass die Erhebung von BKZ durch Netzbetreiber in der Mittelspannung grundsätzlich zulässig sei. Sie führte aus, dass es auch bei „netzgekoppelten“ BESS sinnvoll sei, über einen an die nachgefragte Anschlussleistung anknüpfenden BKZ eine Steuerung des Nachfrageverhaltens bezüglich der Höhe der Anschlussleistung anzustreben. Den konkret geforderten BKZ erachtete die BNetzA zudem als angemessen und diskriminierungsfrei.

Bisheriger Prozessverlauf: Entscheidung des OLG Düsseldorf zugunsten der BESS-Betreiber

Gegen die Entscheidung der BNetzA hat die Antragsstellerin gemäß § 75 EnWG Beschwerde beim OLG Düsseldorf eingelegt. Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 20. Dezember 2023 den Beschluss der BNetzA vom 6. Dezember 2022 aufgehoben und diese verpflichtet, über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf erneut zu entscheiden. Das OLG Düsseldorf kam in seiner Entscheidung zu dem für die Speicherbranche vielversprechenden Ergebnis, dass die BKZ-Forderung der Netzbetreiberin missbräuchlich war. Das Gericht hatte angenommen, dass der von der weiteren Beteiligten anhand des Leistungspreismodells berechnete BKZ mit dem in § 17 Abs. 1 Satz 1 EnWG geregelten, unionsrechtskonform auszulegenden Diskriminierungsverbot nicht vereinbar sei.

Das OLG Düsseldorf teilte die Ansicht der BNetzA zwar noch insoweit, als dass ein Netzbetreiber in der Mittelspannungsebene grundsätzlich zur Erhebung eines BKZ berechtigt sein kann. Bei der konkreten Berechnung des BKZ für den BESS der Antragsstellerin kam das Gericht aber sodann zu dem Ergebnis, dass eine nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte vorliege: Denn der BKZ-Forderung der Verteilnetzbetreiberin lag die Erwägung zugrunde, dass der verfahrensgegenständliche BESS beim Strombezug ein „Letztverbraucher“ und unterschiedslos als solcher (d.h. als „Entnahmesachverhalt“) zu behandeln sei. Das OLG Düsseldorf betonte hingegen, dass ein wesentlicher Unterschied zum Regelfall eines baukostenzuschusspflichtigen Netzanschlusses zur Entnahme von Elektrizität beim BESS der Antragsstellerin gerade darin bestehe, dass die vereinbarte Anschlusskapazität zur Einspeicherung nicht andauernd, sondern jeweils nur zeitlich verzögert nach zwischenzeitlicher (Rück-)Einspeisung des gespeicherten Stroms genutzt werden könne. Nach Ansicht des Gerichts müsse daher auch die „Einspeiseseite“ eines Speichers mitberücksichtigt werden. Das OLG Düsseldorf kam daher zu dem Ergebnis, dass die Verteilnetzbetreiberin den Umstand, dass die Einspeicherung und Ausspeicherung eines BESS nicht gleichzeitig, sondern nur alternativ erfolgen könne, bei ihrer unterschiedslosen Bezifferung der BKZ-Forderung zum Nachteil der Antragsstellerin außer Betracht gelassen habe und die Bemessung des BKZ insoweit unzulässig ist.

Mit der Rechtsbeschwerde vor dem BGH hat sich die BNetzA gegen den Beschluss des OLG Düsseldorf gewendet.

In der Zwischenzeit: Neues Positionspapier der BNetzA

Ungeachtet des sodann laufenden BGH-Verfahrens hat die BNetzA im November 2024 ein „Positionspapier zur Erhebung von Baukostenzuschüssen“ veröffentlicht, welches auf ihrem (auch dem BGH-Verfahren zugrunde liegenden) Positionspapier aus dem Jahr 2009 aufgesetzt und dieses an einigen Stellen weiterentwickelt hat. In dem neuen Positionspapier hält die BNetzA an ihrer bisherigen grundsätzlichen Position fest, dass Netzbetreiber grundsätzlich berechtigt sind, BKZ für Netzanschlüsse von Speicherprojekten oberhalb der Niederspannung zu erheben. Auch hinsichtlich der Berechnungsmethode stellt die BNetzA in dem neuen Positionspapier klar, dass sich das Leistungspreismodell in der Vergangenheit bewährt habe und eine angemessene Art der Erhebung von BKZ darstelle.

Die BNetzA hat aber auch weitere Anpassungen in Bezug auf das Leistungspreismodell vorgenommen: statt auf den jeweils bei Vertragsschluss geltenden Leistungspreis abzustellen, soll künftig auf ein arithmetisches Mittel der Leistungspreise über 5 Jahre abzustellen sein. Dies soll dazu führen, dass Preisschwankungen abgemildert werden. Zudem hat die BNetzA das Konzept einer differenzierten Rabattierung bei den BKZ auf der Übertragungsnetzebene eingeführt: Hiernach sollen ausgehend von sich ergebenden Netzausbedarfen, Netzausbaukosten und Redispatchvolumen für bestimmte Orte Differenzierungen bei der Berechnung des BKZ und Rabattierung von bis zu 80% des Leistungspreises vorgenommen werden. Eine entsprechende Karte Deutschlands mit einer Darstellung verschiedener Netzknoten, an denen eine Differenzierung des BKZ sinnvoll erscheinen kann, hat die BNetzA ebenfalls veröffentlicht.

In ihrem neuen Positionspapier verwies die BNetzA auch auf das laufende BGH-Verfahren und stellte ihre Aussagen unter den Vorbehalt des Ausgangs dieses Verfahrens.

Entscheidung des BGH

Mit der lang erwarteten Entscheidung vom 15. Juli 2025 hat der BGH nun klargestellt, dass die Erhebung eines BKZ für einen netzgekoppelten BESS durch den Netzbetreiber zulässig ist und bei der Berechnung des BKZ dieselben Grundsätze wie für andere Letztverbraucher gelten. Danach ist auch für BESS eine Berechnung nach dem Leistungspreismodell zulässig und diskriminierungsfrei.

In seiner Entscheidung erkennt der BGH zwar an, dass BESS sich von anderen Letztverbrauchern durch ihre besondere Funktionsweise der Ein- und Ausspeicherung und ihre mögliche Netzdienlichkeit unterscheiden, stellt aber dennoch klar, dass diese Besonderheiten bei der konkreten Berechnung von BKZ keine Sonderbehandlung rechtfertigen. Eine Gleichbehandlung von BESS und sonstigen Letztverbrauchern sieht der BGH insoweit als gerechtfertigt an. Der BGH begründet diese Sichtweise mit den Zielsetzungen des BKZ, welcher zum einen Beitrag zur Finanzierung des Verteilernetzes leisten soll und zum anderen eine Lenkungs- und Steuerungsfunktion bei der Dimensionierung des Netzanschlusses hat. Der BGH betont dabei, dass diese Aspekte gleichermaßen auch für BESS gelten, soweit diese das Netz für die Entnahme von Strom nutzen. Denn sowohl komme BKZ auch hinsichtlich der nachgefragten Anschlussdimensionierung von BESS die bezweckte Lenkungs- und Steuerungsfunktion zu; hierbei sei die Einspeiseleistung unbeachtlich. Zudem diene die Finanzierungsfunktion der Entlastung der Letztverbraucher, die sonst die durch BESS verursachten Netzausbaukosten tragen müssten, während die BESS-Betreiber die Gewinne aus dem Betrieb ihrer Anlagen für sich vereinnahmen dürften. Nach Ansicht des BGH werde der Zweck des BKZ auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass BESS eine netzdienliche Wirkungen haben können. Ob dies der Fall sei, allein durch die jeweiligen Netzbetreiber zu beurteilen, denen insoweit ein Entscheidungsspielraum zustehe.

Einordnung der BGH-Entscheidung und Ausblick

Das Urteil des BGH zu den BKZ für netzgekoppelte BESS stellt Rechtssicherheit für die Speicherbranche her, da die seit langem umstrittene Frage der Zulässigkeit der Erhebung von BKZ sowie die Berechnung ihrer zulässigen Höhe nun höchstrichterlich entschieden wurde. Der BGH hat diese Unsicherheit mit seinem Urteil beseitigt und damit Investitionssicherheit für Speicherprojekte hergestellt – allerdings nicht im Sinne der Entwickler von Speicherprojekten, bei denen das Ergebnis dieser Entscheidung zu einer gewissen Ernüchterung führen dürfte.

Auch wenn mit dieser Entscheidung seit der mündlichen Verhandlung im Mai zu rechnen war, haben Investoren haben zuletzt immer wieder auf die Rechtsunsicherheit beim Thema BKZ verwiesen und haben nunmehr Klarheit für weitere Investitionen in Batteriespeicher. Dabei wurde vor dem BGH-Urteil häufig gerade die bestehende Rechtsunsicherheit und weniger die Frage der eigentlichen Höhe der BKZ als Investitionshindernis gesehen.

Dennoch stellen BKZ einen erheblichen Kostenfaktor bei der Realisierung von Speicherprojekten von bis zu 20% der Errichtungskosten dar, der die Wirtschaftlichkeit von Investitionen in Speicherprojekte belastet. Für Speicherbranche steht seit der heutigen Entscheidung des BGH fest, dass der BKZ nun dauerhaft in die Errichtungskosten mit eingerechnet werden muss und dadurch insgesamt höhere Projektkosten entstehen. Sofern ein BKZ wegen des laufenden Verfahrens vor dem BGH bislang im Einzelfall nur unter Vorbehalt bezahlt wurden, ist mit einer Erstattung durch den Netzbetreiber nicht mehr zu rechnen.

Das Urteil des BGH führt aber nicht nur zu Rechtssicherheit, sondern wirft zugleich auch neue Fragen auf. So betont der BGH etwa, dass die Beurteilung der Netzdienlichkeit von Speichern allein den Netzbetreibern obliege und die Netzbetreiber insoweit einen Entscheidungsspielraum haben, ohne weitere Maßstäbe für diese Beurteilung zu skizzieren. Es ist zu hoffen, dass die noch ausstehenden Entscheidungsgründe weitergehende Konkretisierungen enthalten. Denn angesichts der mehr als 850 Verteilnetzbetreiber in Deutschland dürfte schon jetzt klar, sein, dass die Handhabung der Netzbetreiber in der Praxis große Unterschiede aufweisen wird, wohingegen eine größere Vereinheitlichung und damit Beschleunigung angesichts der dringenden Flexibilitätsbedarf im Netz bei allen Fragen rund um die Netzanbindung von Speichern eigentlich das Ziel aller Akteure sein sollte.

Ferner ist zu betonen, dass dem Entscheidungsfall ein rein netzgekoppelter Batteriespeicher zugrunde lag, sodass offenbleibt, ob die Entscheidung auf alle Arten von Batteriespeichern (z.B. künftige EEG-Mischspeicher) gleichermaßen übertragbar ist. Dem BGH-Urteil lagen außerdem noch die Berechnungsmethoden zum Leistungspreis nach dem Positionspapier der BNetzA aus dem 2009 zugrunde. Diese Berechnungsmethoden wurden durch das neue Positionspapier aus November 2024 angepasst. Da der BGH an der grundsätzlichen Methodik der Berechnung anhand des Leistungspreismodells keine wesentliche Kritik geäußert hat, gehen wir zudem davon aus, dass somit künftig die weiterentwickelten Berechnungsmethoden aus dem Positionspapier der BNetzA aus November 2024 von den Netzbetreibern in der Praxis angewendet werden.

Schließlich ist zu betonen, dass mit der Entscheidung des BGH längst nicht alle (dringenden) Fragen der Speicherbranche geklärt sind. Dies betrifft neben der Frage der Verfahren für Netzreservierungen und planungsrechtlichen Unsicherheiten auch weitere (Einzel-)Fragen zum BKZ, u.a. ob und inwieweit Vorab-Abschlagszahlungen auf den BKZ zulässig sind oder die Auswirkungen des BGH-Urteils auf Netzanschlüsse von Großspeichern oberhalb der 110kV-Ebene, für die mit der KraftNAV Sonderregelungen gelten, die in dem BGH-Urteil nicht behandelt werden. Die Vielzahl der offenen rechtlichen Fragestellungen sollte auch den Gesetzgeber aufrufen, weitere Rechtssicherheiten durch gesetzliche Neuregelungen zu beseitigen.

Sobald die Entscheidungsgründe des BGH veröffentlicht sind, werden wir hierzu gesondert berichten.

Für Rückfragen zum Baukostenzuschuss und zu den Einzelheiten dieser BGH-Entscheidung stehen wir jederzeit zur Verfügung!