Überblick
Regelungsgehalt des § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB
Bei einem (ausschließlich) online erfolgenden Abschluss eines Vertrags handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag, hinsichtlich dessen Verbrauchern in der Regel ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zusteht.
Hierzu finden sich in § 312g Abs. 2 BGB Ausnahmen für diverse Vertragstypen. Nach § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB besteht kein Widerrufsrecht für Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen im Bereich Kraftfahrzeugvermietung, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht.
Diese Regelung basiert auf Artikel 16 der EU-Richtlinie 2011/83/EU. Laut der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/12637, S. 57) wird das Widerrufsrecht für diese Verträge ausgeschlossen, da der Unternehmer – sofern er zur Erbringung der Dienstleistung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums verpflichtet ist – dafür Kapazitäten bereitstellt, die er im Falle eines Widerrufs möglicherweise nicht anderweitig nutzen kann.
Reichweite der Ausnahmeregelung ist umstritten
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob Leasingverträge mit Kilometerabrechnung in den Anwendungsbereich von § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB fallen. Uneinigkeit besteht insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die Laufzeit eines KFZ-Überlassungsvertrags für die Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestandes maßgebend sein soll.
Das OLG München hat in einem Urteil aus dem vergangenen Jahr eine Anwendung von § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB auf einen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung mit einer Laufzeit von 48 Monaten in Einklang mit Teilen der Literatur abgelehnt (OLG München, Urteil vom 18.6.2020 – 32 U 7119/19; Wendehorst in MüKo BGB, § 312g Rn. 44). Unter die Regelung falle nur die kurzfristige Automiete, nicht aber das KFZ-Leasing mit Kilometerabrechnung, so das OLG. Nach dieser Lesart ist die Anwendung der Ausnahmeregelung auf Autoabos – je nach deren konkreter Ausgestaltung – fraglich.
Eine andere Ansicht vertrat das LG Stuttgart (Urteil vom 29.06.2021 – 8 O 30/21). Nach Sinn und Zweck der EU-Richtlinie bestehe auch bei Leasingverträgen mit Kilometerabrechnung kein Widerrufsrecht, weil dies den Unternehmer unverhältnismäßig belasten würde. Denn er könne die bereitgestellten Fahrzeuge nach einem Widerruf möglicherweise nicht anderweitig nutzen. Im Wortlaut der Richtlinie finde sich keine Beschränkung auf Mietverträge mit kurzer Laufzeit. Darüber hinaus, so das LG Stuttgart, wiesen Leasingverträge mit Kilometerabrechnung zahlreiche Gemeinsamkeiten mit einer Fahrzeugvermietung auf.
Weniger eindeutig als das LG Stuttgart beurteilten jüngst das LG Ravensburg (Beschluss vom 24.08.2021 – 2 O 238/20) und das OLG Frankfurt/Main (Beschluss vom 12.07.2021 – 17 U 42/20) die Auslegung der § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB zugrundliegenden Richtlinienregelung und legten die Frage, wie Artikel 16 der EU-Richtlinie 2011/83/EU auszulegen sei, daher dem EuGH vor. Dessen Antwort steht noch aus.
Relevanz für die Praxis
Für Anbieter von Leasingverträgen mit Kilometerabrechnung oder Autoabos kann die Entscheidung über die Anwendbarkeit der Widerrufsausnahme weitrechende Folgen haben. Käme der EuGH zu dem Ergebnis, dass die Vertragslaufzeit für die Anwendbarkeit von Artikel 16 der EU-Richtlinie 2011/83/EU entscheidend ist und die Ausnahme vom Widerrufsrecht nur auf Mietverträge mit kurzer Laufzeit Anwendung findet, stünde den Verbrauchern bei einer Onlinebuchung von Leasingverträgen mit Kilometerabrechnung ein Widerrufsrecht zu. Je nach deren vertraglicher Ausgestaltung könnte dies dann auch Verträge über Autoabos betreffen. Hier wäre das Risiko höher, je länger die vereinbarte Laufzeit des Autoabos ist.
Anbieter dieser Verträge müssten Verbraucher dann über das ihnen zustehende Widerrufsrecht informieren. Eine fehlerhafte oder ganz ausbleibende Belehrung könnte zur Folge haben, dass den Verbrauchern über den Zeitraum von 14 Tagen hinaus ein Widerrufsrecht zustünde.