Überblick
Zum 1. Januar 2024 wurde der Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes („LkSG“) erheblich erweitert. Schon Unternehmen ab 1.000 Arbeitnehmern (im gesamten inländischen Konzernverbund) fallen seit dem unter den Anwendungsbereich. Auch viele Unternehmen in der Immobilienbranche müssen sich nun erstmals mit dem LkSG auseinandersetzen und die sich aus dem Gesetz ergebenden Pflichten umsetzen, denn auch der Erwerb und die Entwicklung von Immobilien bzw. die Anmietung entsprechender Räumlichkeiten kann unter Umständen in die Lieferkette fallen. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass aufgrund der derzeit geplanten sog. EU-Lieferkettenrichtlinie weitere Verschärfungen des LkSG folgen.
Angesichts der derzeitigen politischen Diskussion hinsichtlich des LkSG sowie der empfindlichen Bußgelder bei Missachtung der Vorgaben des LkSG, sollten die Zielsetzung, der Anwendungsbereich und die wesentlichen Pflichten des LkSG bekannt sein.
ZIELSETZUNG
Zielsetzung des LkSG ist es, Unternehmen im internationalen Wirtschaftsverkehr zum Schutz von Menschenrechten und Umweltbelangen in globalen Lieferketten zu verpflichten. Dabei sind nicht nur Sachverhalte mit Auslandsbezug betroffen, sondern es werden auch rein nationale Themen erfasst, wie z.B. Mieter und Vermieter einer Immobilie
ANWENDUNGSBEREICH
Gem. § 1 LkSG sind vom Anwendungsbereich des LkSG Unternehmen umfasst, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland haben und eine gewisse Anzahl an Arbeitnehmern aufweisen. Diese lag noch bis zum 31. Dezember 2023 bei 3.000 Beschäftigten und liegt ab dem 1. Januar 2024 bei 1.000 Beschäftigten im Inland. Die Anzahl der Beschäftigten wird dabei jedoch keinesfalls für jedes verpflichtete Unternehmen einzeln bestimmt, sondern ergibt sich aus der Zusammenrechnung der gesamten Beschäftigten sämtlicher konzernangehöriger Gesellschaften, § 1 LkSG. Hieraus resultieren aktive Handlungspflichten der Unternehmensführung (d.h. Vorstand, Aufsichtsrat etc.):
PFLICHTEN IM GESCHÄFTSBEREICH
Für die Wahrnehmung der Sorgfaltspflichten werden die Geschäftsbereiche von Tochtergesellschaften der Muttergesellschaft zugerechnet. Die Muttergesellschaft muss also die Pflichten nicht nur in ihrem unmittelbaren Geschäft wahrnehmen, sondern auch für alle Tochtergesellschaften.
Eine der Sorgfaltspflichten liegt in der Einrichtung bzw. Anpassung eines Risikomanagements nach den Vorgaben des LkSG. Dabei gilt es, ein System zu implementieren, das regelmäßige Risikoanalysen vorsieht und identifizieren soll, ob und inwieweit Risiken hinsichtlich der Verletzung von Menschenrechten oder umweltbezogenen Pflichten bestehen. Als ein Umweltrisiko wird auch die Verwendung bestimmter Schadstoffe angesehen; hierbei ist insbesondere an die Herabsetzungen von zulässigen Grenzwerten (z.B. wie kürzlich geschehen, für PFAS-haltige Löschmittel in Gebäude-Feuerlöschanlagen) durch den EU-Gesetzgeber zu denken. Wurden im Rahmen der Risikoanalyse menschenrechts- oder umweltbezogene Risiken festgestellt (z.B. die Löschanlage enthält verbotene, umweltschädliche Chemikalien), sind die folgenden Maßnahmen zu ergreifen:
1. PRÄVENTIONSMAßNAMEN
Das Unternehmen muss angemessene Präventionsmaßnahmen ergreifen und eine Erklärung abgeben, in der beschrieben wird, wie genau den Sorgfaltspflichten nachgekommen wird. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen dabei menschenrechts- und umweltbezogene Erwartungen formuliert werden, welche sowohl an die Beschäftigten, die Vertragspartner als auch die mittelbaren Zulieferer des Unternehmens zu richten sind. Im Hinblick auf die Umsetzung der Präventionsmaßnahmen ist die Konkretisierung der Erwartungen in einem Verhaltenskodex zu empfehlen. Darüber hinaus sind Schulungen und risikobasierte Kontrollmaßnahmen durchzuführen. Hier ist also ein Kontrollsystem der Geschäftsführung zu implementieren.
2. ABILFEMAßNAHNMEN
Sofern eine Menschenrechtsverletzung oder die Verletzung einer umweltbezogenen Pflicht eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht, hat das Unternehmen unverzüglich geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, um diese Verletzung zu verhindern, zu beenden oder zu minimieren. Die Wirksamkeit der ergriffenen Abhilfemaßnahmen ist durch das Unternehmen jährlich und anlassbezogen zu überprüfen.
3. BESCHWERDEMAßNAHMEN, BERICHTERSTATTUNG
Schließlich sollen ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren sowie eine Dokumentations- und Berichtspflicht die Erfüllung der Sorgfaltspflichten gewährleisten und dokumentieren. Die Berichtspflicht kommt dabei einer eingeschränkten Meldepflicht gleich. Sie gilt nicht gegenüber Behörden, sondern verlangt von den Unternehmen die Erstellung und Veröffentlichung eines jährlichen Berichts auf dem Internetauftritt des Unternehmens, der spätestens vier Monate nach Schluss des Geschäftsjahres zu veröffentlichen und für sieben Jahre dort zu belassen ist. Der Bericht muss die Sorgfaltspflichten, etwaige Verletzungen und Risiken inkl. diesbezüglicher Abhilfe- und Präventionsmaßnahmen sowie eine Bewertung der ergriffenen Maßnahmen enthalten. Begleitet wird die Berichtspflicht von einer rein internen Dokumentationspflicht. Hier müssen alle relevanten Dokumente zu den berichtspflichtigen Themen ohne Rücksicht auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zusammengestellt werden.
PFLICHTEN HINSICHTLICH ZULIEFEREN
Auch gegenüber Zulieferern sind bestimmte Pflichten einzuhalten bzw. durchzusetzen. Zulieferer im Sinne des LkSG ist dabei jeder, dessen Zulieferungen für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind (z.B. Lieferanten von Baustoffen).
Die Pflichten hinsichtlich der Zulieferer sind dabei weitestgehend deckungsgleich mit den Verpflichtungen im eigenen Geschäftsbereich. Ein Unternehmen ist verpflichtet, angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber seinem Zulieferer zu verankern, insbesondere vertragliche Kontrollmechanismen zu vereinbaren (sofern eine unmittelbare Vertragsbeziehung vorliegt). Schon bei der Auswahl des Zulieferers sind die durch das LkSG vorgegebenen menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen zu berücksichtigen, was letztlich eine vollständige Identifizierung der Lieferanten und der jeweiligen mit ihnen verbundenen Risiken erfordert.
Werden Verletzungen festgestellt, ist dergestalt auf den Zulieferer einzuwirken, dass die Umwelt- oder Menschenrechtsverletzungen beendet werden. Ist keine Beendigung möglich, muss das Unternehmen für seinen Zulieferer ein Konzept zur Minimierung der Verletzung erstellen und durchsetzen. Bei schwerwiegenden Verletzungen hat der Unternehmer sogar die Geschäftsbeziehung abzubrechen.
Aus immobilienrechtlicher Sicht ist insbesondere relevant, dass auch der Verkäufer oder Vermieter einer Gewerbeimmobilie als unmittelbarer Zulieferer des Käufers oder Mieters angesehen werden kann; dies jedenfalls dann, wenn man entsprechend einiger Definitionen im Unionsrecht die Immobilie unter den Begriff der Ware definiert. Ein Erwerber, Entwickler oder auch Mieter muss also die o.g. Pflichten hinsichtlich seines Vertragspartners einhalten.
Dies wirkt sich insbesondere in Dauerschuldverhältnissen, wie z.B. bei Mietverträgen, auf die Vertragsgestaltung aus. Gleiches gilt entlang der „Lieferkette“ des Vermieters gegenüber seinen „Lieferanten“ (z.B. Verkäufer, Generalunternehmer).
VERANTWORTLICHKEITEN, FOLGEN UND RISIKEN
Bei einem Verstoß der o.g. Pflichten sind je nach Verstoß Bußgelder von bis zu EUR 800.000 oder in bestimmten Fällen bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes des Unternehmens möglich. Zudem kann i.R.d. Vollstreckung auch ein Zwangsgeld von bis zu EUR 50.000 festgesetzt werden.
Hierbei ist zu beachten, dass das LkSG derzeit keine Regressmöglichkeit innerhalb der Lieferkette ermöglicht. Es begründet also keinen zivilrechtlichen Haftungstatbestand gegenüber dem Zulieferer, weil dieser seine Pflichten verletzt haben könnte.
FAZIT
Insgesamt gewinnt das LkSG immer weiter an Bedeutung und ist in einer Vielzahl von Konstellationen von der Unternehmensführung zu berücksichtigen. Im Immobilien-Bereich dürfte dies insbesondere hinsichtlich etwaiger Risiken für die Umwelt (z.B. aus dem Vorhandensein von Gebäudeschadstoffen) und der Gefahr für Leben und Gesundheit Relevanz erhalten.
Die Unternehmensführung sollte insbesondere eine Strategie entwickeln und Kompetenzen innerhalb des Unternehmens schaffen, um den Verpflichtungen des LkSG gerecht zu werden. Hierbei ist insbesondere auch ein effektives Controlling- und Reporting-System zu implementieren.
Ferner ist die weitere Entwicklung vor dem Hintergrund der EU-Lieferkettenrichtlinie im Blick zu behalten; sollte die Richtlinie in der derzeitigen Entwurfsfassung verabschiedet werden, so wird das LkSG aller Voraussicht nach noch weiter an Bedeutung gewinnen, insbesondere da der Anwendungsbereich, die Verpflichtungen sowie die Haftungstatbestände des LkSG erweitert werden.
Wir unterstützen Sie gern mit Blick auf sämtliche Herausforderungen, die sich bei der Implementierung einer adäquaten Lieferkettensorgfalt stellen.
Sprechen Sie uns gerne jederzeit an.