Überblick
Düsseldorf, den 12. Mai 2023 – Der Bundesrat hat am 12. Mai 2023 nach zahlreichen Verzögerungen und Anrufung des Vermittlungsausschusses das Gesetz zur Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie („Hinweisgeberschutzgesetz“ – HinSchG) gebilligt. Ab Inkrafttreten des Gesetzes sind Unternehmen ab 50 Beschäftigten verpflichtet, innerhalb einer bestimmten Frist Hinweisgebersysteme einzurichten. Das Gesetz tritt einen Monat nach Verkündung in Kraft – voraussichtlich bereits Mitte Juni 2023.
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1. HINTERGRUND
Das Ziel des Hinweisgeberschutzgesetz ist die Umsetzung der sog. EU-Whistleblower-Richtlinie (EU) 2019/1937 vom 23. Oktober 2019 („WBRL“) für einen verbesserten Hinweisgeberschutz und zur Schaffung von mehr Rechtssicherheit bei der Meldung oder Offenlegung von Missständen in Unternehmen und Behörden. Das Gesetz regelt den Schutz sogenannter „hinweisgebenden Personen“, d.h. natürliche Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über (Compliance-)Verstöße bzw. Verstöße gegen das Unionsrecht erlangt haben und diese an dafür vorgesehene Meldestellen berichten.
2. ADRESSATEN DES HINWEISGEBERSCHUTZGESETZES
Grundsätzlich sind Hinweisgebersysteme von privaten Arbeitgebern mit mindestens 50 Beschäftigten einzurichten. Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten müssen die Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes bis spätestens 17. Dezember 2023 umgesetzt haben. Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von mehr als 250 verbleibt zur Umsetzung gerade einmal ein Monat ab heute. Gleiches gilt für stark regulierte Unternehmen nach § 12 Abs. 3 HinSchG ungeachtet ihrer Beschäftigtenzahl, wie beispielsweise Kapitalverwaltungsgesellschaften oder Versicherungsunternehmen. Für börsennotierte Unternehmen enthält A.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex eine Empfehlung zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems, die unabhängig von der Größe oder Mitarbeiterzahl des Unternehmens gilt.
3. VERPFLICHTUNGEN UND KONSEQUENZEN FÜR DIE UNTERNEHMEN
Die Unternehmen werden verpflichtet, für die Hinweisgeber interne Meldestellen einzurichten (und zu betreiben) sowie den Weg zu externen Meldestellen zu ermöglichen. Interne Meldestellen sind in diesem Zusammenhang Stellen, die bei dem Arbeitgeber selbst oder einem von dem Arbeitgeber betrauten Dritten (z.B. einer Rechtsanwaltskanzlei), vgl. § 14 Abs. 1 HinSchG, eingerichtet und betrieben werden. In einem internationalen Konzern kann „Dritter“ auch eine andere Konzerngesellschaft sein. Dabei ist sicherzustellen, dass durch die Implementierung einer zentralen Meldestelle bei einer Konzerngesellschaft keine etwaigen Zugangshindernisse gegenüber einer Einrichtung unmittelbar in der eigenen Gesellschaft bestehen. So müssen z.B. Meldungen in der in dem betrauenden Unternehmen vorherrschenden Arbeitssprache möglich sein. Im Fall der Betrauung eines Dritten mit den Aufgaben einer internen Meldestelle verbleibt die Pflicht zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Abstellung etwaiger Verstöße bei der betrauenden Gesellschaft, vgl. § 14 Abs. 1 S. 2 HinSchG.
Der Arbeitgeber soll Anreize schaffen, dass sich Arbeitnehmer vorranging an die intern eingerichtete Stelle wenden, um eine schnelle Abwicklung und interne Lösung unternehmensbezogener Probleme bei gleichzeitiger Entlastung externer Stellen zu erreichen.
Gleichzeitig wird hinweisgebenden Personen aufgetragen, den internen Weg vorzuziehen, wenn dieser Erfolg verspricht und keine Repressalien zu befürchten sind. Ungeachtet dessen, haben hinweisgebende Personen weiterhin die Wahl, ob sie sich einer internen Meldestelle bedienen oder ihren Hinweis – möglicherweise auch aufgrund der Befürchtung mangelnder Anonymität – einer externen Meldestelle melden. Rechtsfolgen für eine etwaige, vom gesetzgeberischen Willen abweichende, Priorisierung der externen Stelle durch hinweisgebende Personen sieht das Gesetz nicht vor.
Externe Meldestellen sind dafür zuständige Behören, die befugt werden Meldungen entgegenzunehmen. Eine solche externe Meldestelle wird beispielsweise beim Bundesamt für Justiz oder durch die Bundesländer in den jeweiligen Landes- und Kommunalverwaltungen eingerichtet. Internen und externen Meldestellen ist gemein, dass sie durch das Gesetz nicht verpflichtet werden, anonyme Meldekanäle einzurichten. Anonyme Hinweise sind jedoch trotzdem zu beachten und zu bearbeiten.
Durch das Hinweisgeberschutzgesetz wird den Unternehmen (zudem) verboten, Repressalien gegen die hinweisgebende Person vorzunehmen. Bereits die Androhung und der Versuch der Vornahme von Sanktionen sind untersagt. Dies betrifft vor allem eine Suspendierung, Kündigung, Gehaltsminderung, Nicht-verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages sowie jegliche Einschüchterungsversuche seitens des Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten.
Das Gesetz sieht eine arbeitnehmerschützende Beweislastumkehrung vor, die in der Praxis zumindest beim Hauptfall Kündigung wegen der nach dem Kündigungsschutzgesetz bereits bestehenden Verteilung der Darlegungslasten keine große Rolle spielen wird und lediglich bei Kündigungen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes gegebenenfalls eine Änderung mit sich bringen kann. Nach § 36 Abs. 2 des Hin-SchG wird vermutet, dass eine berufliche Benachteiligung nach einer Meldung oder Offenlegung eine Repressalie ist. Die Beweislastumkehrung tritt jedoch nur dann ein, wenn die hinweisgebende Person den möglichen Zusammenhang vorträgt. Im Falle eines Verstoßes des Unternehmens steht der hinweisgebenden Person ein Anspruch auf Ersatz des ihr aus diesem entstandenen Schadens zu.
Wenn ein Arbeitgeber, der unter den Adressatenkreis fällt, keine interne Meldestelle einrichtet, es unterlässt sie ordnungsgemäß zu betreiben oder eine Repressalie ergreift, begeht er eine Ordnungswidrigkeit. Verstöße dieser Art können nach dem HinSchG mit einem Bußgeld von bis zu EUR 50.000,00 geahndet werden.
4. EMPFEHLUNG AN DIE UNTERNEHMEN
Um etwaigen Sanktionen zu entgehen, sollten die von dem Hinweisgeberschutzgesetz erfassten Unternehmen spätestens jetzt einen Prozess starten, der sicherstellt, dass entsprechende Meldewege innerhalb des durch den Gesetzgeber festgesetzten Zeitrahmens eingerichtet werden.
Hierbei ist besonders die Vorverlegung des Inkrafttretens des Gesetzes im Vergleich zu seinem vorherigen Entwurf zu beachten. Das Gesetz tritt nunmehr einen Monat nach Verkündung in Kraft – Mitte Juni 2023.
Insbesondere internationale Unternehmensgruppen bzw. Konzerne sollten die Struktur ihres Hinweisgebersystems, die Anordnung und Aufstellung der einzelnen Meldestelle(n) sowie die diesbezügliche Dokumentation vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsentwicklungen überprüfen. Soweit Gruppengesellschaften in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten bestehen, sind dabei die Umsetzungsunterschiede hinsichtlich der EU-Whistleblowing-Richtlinie in den jeweiligen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Selbstverständlich unterstützen wir Sie gern bei der rechtlichen Prüfung sowie der Implementierung technischer Lösungen in Erfüllung der anwendbaren Best Practice-Maßstäbe.
Sanktionen für Arbeitgeber, die keinen internen Meldeweg eingerichtet haben, sind zwar erst nach der Übergangsfrist von sechs Monaten zu befürchten, zuvor wird jedoch bereits riskiert, dass sich hinweisgebende Personen umgehend an externe Meldestellen wenden.