Überblick
Am 30. März 2022 hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland den ‚Notfallplan Gas‘ aktiviert und die Frühwarnstufe ausgerufen. Das Bundeskabinett hat am 25. April 2022 die Novelle des Energiesicherungsgesetzes beschlossen. Es drohen Lieferengpässe beim Import von Gas, insbesondere für Unternehmen könnten Ausfälle und Versorgungslücken entstehen. Was bedeutet dies für Vermieter und Mieter von Gewerbeimmobilien?
In unserem FAQ gehen wir auf die drängendsten mietrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit drohenden Engpässen und Ausfällen bei Gaslieferungen ein und beleuchten die Auswirkungen für Vermieter und Mieter von Gewerbeimmobilien.
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Konstellation A: Der Mietvertrag sieht vor, dass der Vermieter mit einem Versorger einen Gasbelieferungsvertrag abschließt und die Kosten für Gas mit dem Mieter im Rahmen der Nebenkosten abrechnet.
1. Es kommt zu einem Engpass oder sogar zu einem Ausfall der Gaslieferung. Muss der Vermieter die Beheizung und ggf. Warmwasserversorgung der Mieträume anderweitig ermöglichen, wenn im Mietvertrag keine besondere vertragliche Regelung hierzu vorgesehen ist?
Ja. Der Vermieter hat dafür zu sorgen, dass die Mietsache dem Mieter ordnungsgemäß überlassen wird und vom Mieter für die Dauer der Mietzeit im Rahmen des vereinbarten Mietzwecks genutzt werden kann. Entsprechend muss der Vermieter die Beheizbarkeit der Räumlichkeiten und ggf. Warmwasserversorgung sicherstellen. Gelingt ihm das nicht, weist die Mietsache einen Mangel auf.
2. Kann der Mieter die Miete mindern oder den Mietvertrag kündigen, wenn der Mietgegenstand zeitweise nicht oder nicht ausreichend mit Gas oder Warmwasser versorgt wird und der Vermieter keine anderweitige Beheizung sicherstellt?
Grundsätzlich ja. Der nicht oder nicht ausreichend beheizbare Mietgegenstand stellt einen Mangel dar, der den Mieter – in Abhängigkeit der individuellen vertraglichen Gegebenheiten – auch zur Minderung der Miete sowie nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist zur außerordentlichen Kündigung berechtigen kann.
3. Kann der Vermieter seine Haftung gegenüber dem Mieter, insbesondere das Minderungsrecht des Mieters, im Falle von Versorgungsengpässen und -ausfällen wirksam vertraglich ausschließen?
Grundsätzlich ja, wenn es sich um einen individualvertraglich vereinbarten Haftungsausschluss handelt. Demgegenüber ist ein umfassender, vollumfänglicher Ausschluss der Vermieterhaftung, insbesondere einschließlich des Rechts des Mieters zur Minderung, im Gewerberaumietrecht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht möglich. Dies gilt selbst für Mängel, die der Vermieter nicht zu vertreten hat.
4. Angesichts von bestehenden Gaslieferengpässen beschafft der Vermieter alternative Heizgeräte, bspw. elektrisch betriebene Heizlüfter, um seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen. Kann der Vermieter vom Mieter die laufenden Verbrauchskosten dieser ersatzweise angeschafften Heizgeräte verlangen?
Ja. Die Betriebskosten von ersatzweise angeschafften Heizgeräten, beispielsweise die höheren Kosten für zusätzlich bezogenen Strom, muss der Mieter tragen, wenn der Mietvertrag eine generelle Umlegung dieser Kosten auf den Mieter vorsieht.
5. Kann der Vermieter die Nebenkostenvorauszahlung des Mieters unabhängig von einer etwaigen Nebenkostenabrechnung erhöhen, wenn er höhere Kosten für Gas erwartet?
Ja, vorausgesetzt der Vermieter hat sich vertraglich das Recht vorbehalten, die Nebenkostenvorauszahlungen erhöhen zu können. In diesem Fall kann eine Anpassung der Nebenkostenvorauszahlung nach billigem Ermessen des Vermieters für die Zukunft erfolgen. Eine rückwirkende Anpassung ist nicht gestattet.
6. Kann der Vermieter die Kosten für die Beschaffung von Gas in voller Höhe auf den Mieter umlegen, auch wenn diese Kosten sehr stark steigen?
Ja, da ungewöhnlich hohe Betriebskosten nur dann einen Mangel begründen können, wenn die Kosten auf einem Fehler der Heizungsanlage beruhen. Den Vermieter hat in diesem Zusammenhang auch nicht die Pflicht, eine alte oder nicht mehr rentable, aber funktionierende Heizungsanlage aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zu modernisieren.
7. Kann der Mieter aufgrund stark gestiegener Gaspreise die Miete mindern oder sogar den Mietvertrag außerordentlich kündigen, wenn der Mietvertrag keine explizite Regelung für diesen Fall vorsieht?
Nein. Gestiegene Gaspreise stellen keinen Mangel der Mietsache dar. Dementsprechend berechtigen sie den Mieter weder zur Minderung der Miete noch zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages.
8. Kann der Vermieter die Wärmeversorgung ändern, z.B. auf einen anderen Energieträger umstellen, wenn es zu Engpässen oder -ausfällen von Gaslieferungen kommt oder die Kosten für Gas erheblich steigen?
Ja, allerdings nur im Rahmen der mietvertraglichen Möglichkeiten. Der Vermieter kann nicht die Kosten für die Einführung einer neuen Versorgungsart vom Mieter verlangen, die der Mietvertrag bisher nicht vorsieht.
9. Kann der Mieter Änderungen in der Versorgung verlangen, z.B. die Umstellung auf anderen Energieträger, wenn es zu Engpässen oder -ausfällen von Gaslieferungen kommt oder die Kosten für Gas erheblich steigen?
Grundsätzlich nein, es sei denn, der Mietvertrag weist eine besondere Regelung hierzu auf. Der Mieter ist an die vertraglich festgelegte Art der Wärmeversorgung gebunden. Seine etwaig vorhandenen Mängelansprüche im Falle von Versorgungsenfpässen und -ausfüllen bleiben jedoch unberührt (vgl. hierzu Ziffer 2).
10. Können der Vermieter und/oder der Mieter bei einem Engpass oder -ausfall von Gaslieferungen eine Vertragsanpassung nach dem Institut der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) verlangen, beispielsweise eine Umstellung auf einen anderen Energieträger?
Ob und wenn ja, inwieweit und mit welchem Ergebnis die Rechtsprechung das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage bei Engpässen oder -ausfällen von Gaslieferungen anwenden würde, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht prognostizieren. Im Einzelfall könnte ein Anspruch des Vermieters und/oder des Mieters auf Vertragsanpassung in Betracht kommen.
Konstellation B: Der Mieter hat selbst einen Gasbelieferungsvertrag mit einem Versorger abgeschlossen und rechnet direkt mit diesem ab.
11. Kann der Mieter gegenüber dem Vermieter mietvertragliche Mängelrechte geltend machen, wenn es zu einer Versorgungsunterbrechung oder einem -ausfall kommt?
Nein. In diesem Fall muss sich der Mieter direkt an den Versorger als seinen Vertragspartner wenden. In Abhängigkeit der einzelnen vertraglichen Regelungen kann der Mieter bei Versorgungsunterbrechung die Zahlungen gegenüber dem Versorger zurückhalten, nicht jedoch gegenüber dem Vermieter mietvertragliche Rechte geltend machen.