Überblick
Im Fokus: Dach-PV-Anlagen im gewerblichen Bereich – Darf ich eine PV-Anlage auf dem Dach errichten, auch wenn das Gebäude vermietet ist? Was ist zu beachten und wo drohen Konflikte?
Ein Überblick
Ob auf Bürogebäuden oder Logistikhallen – der Betriebsstrom vom Dach des eigenen Objektes wird für Vermieter von Gewerbeobjekten immer attraktiver. Die am 1. Januar 2024 in Kraft getretene zweite Novelle zum Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz) und der vor diesem Hintergrund zu erwartende verstärkte Einsatz strombetriebener Wärmepumpen wird das Interesse an der Installation von Photovoltaikanlagen noch einmal steigern. Gewünschte Zertifizierungen für grüne Gebäude, der Wunsch der Mieter nach Ladestationen für Elektrofahrzeuge, gestiegene Energiekosten – neben dem Bestreben, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten, bestehen auch zahlreiche wirtschaftliche Argumente für die Installation einer Photovoltaikanlage. Schließlich wurden durch das am 26. April 2024 beschlossene sog. Solarpaket I auch die rechtlichen Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten für die verbrauchsnahe Stromerzeugung durch die Ausweitung des Mieterstrommodells auf Gewerbeobjekte und die Einführung der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung deutlich verbessert.
Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Ausweitung der „Solarpflicht“ dürften Vermieter gut beraten sein, sich frühzeitig mit dieser Thematik und den vielfältigen gestalterischen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber nicht allein Neubauten adressiert. So wird etwa in Nordrhein-Westfalen ab dem 1. Januar 2026 die Solarpflicht auf Dachsanierungen privater und gewerblicher Gebäude erweitert.
Um unnötige Konflikte auf einem Feld zu vermeiden, auf dem Mieter und Vermieter gemeinsam profitieren können, gilt es, die vertragliche Abrede unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalles vorausschauend zu gestalten. Detailtiefe in den Regelungen ist hier nicht l’art pour l’art, sondern greift vermeidbaren Auseinandersetzungen vor. Oft wird der Regelungsbedarf bei vermieteten Objekten im Vorfeld schlicht unterschätzt.
Welche Aspekte Sie als Vermieter in den Blick nehmen sollten, um eine praxistaugliche Lösung zu finden, stellen wir Ihnen im Folgenden in einem Überblick vor.
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1. Definition der Mietsache
Die Frage, ob die Dachfläche in einer bestimmten Ausgestaltung mitvermietet ist, hängt maßgeblich von der jeweiligen vertraglichen Definition der Mietsache ab.
Hier gilt deshalb, wie stets – schon mit Blick auf das Schriftformerfordernis bei langfristigen Mietverträgen –, dass eine konkrete Beschreibung der Mietsache unbedingt geboten ist. Regelmäßig enthalten Mietverträge dennoch keine konkrete Angabe zu dem Umgang mit der Dachfläche, so dass der Vertrag im Einzelfall auszulegen ist.
Der Gedanke liegt nahe, dass bei einer Nutzung von Objekten als Bürogebäude oder als Logistikhalle die Ausgestaltung des Daches regelmäßig keinen Einfluss auf die Tauglichkeit für den „vertragsgemäßen Gebrauch“ haben dürfte. Allein auf den Nutzungszweck der Mietsache abzustellen, ist in diesem Kontext indes zu kurz gegriffen. Den Vertragsparteien steht es frei, Ausstattungsmerkmale der Mietsache zu vereinbaren, die in keinem Zusammenhang mit der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache für den Verwendungszweck stehen.
Aus Vermietersicht sollten deshalb insbesondere nicht unbedacht Details zur Ausgestaltung der Dachfläche, etwa im Rahmen einer Baubeschreibung, Einzug in den Vertrag finden. Haben die Parteien eine bestimmte Ausgestaltung der Dachfläche vereinbart, so kann es dem Vermieter verwehrt sein, die Dachfläche abweichend zu gestalten und dort nachträglich eine Photovoltaik-Anlage anzubringen. Der Teufel steckt im Detail, hier oft in den in Bezug genommenen Anlagen.
Bei der Geschäftsraummiete ist es im Übrigen eine Frage der an der örtlichen Verkehrssitte orientierten Vertragsauslegung, ob sich der Mietvertrag auch auf Außenflächen des vermieteten Gebäudes erstreckt. Diskutiert wird dies in der Regel im Zusammenhang mit der Nutzung zu Werbezwecken; aber auch das optische Erscheinungsbild des Daches, das durch eine Photovoltaikanlage durchaus beeinträchtigt sein kann, sollte jedenfalls nicht pauschal als unerheblich abgetan werden.
Sofern das gesamte Grundstück bzw. das gesamte Gebäude vermietet wird, der Vermieter aber Anlagen auf dem Dach betreiben oder gar Dachflächen an Dritte vermieten möchte, ist es ratsam, die Dachoberfläche ausdrücklich von dem Mietgegenstand auszunehmen.
In jedem Fall gilt es besonderes Augenmerk auf die Regelungen zu vermieterseitigen baulichen Änderungen zu legen. Sofern eine Ausnahme der Dachoberfläche nicht gewollt ist – ggf. auch vor dem Hintergrund einer individualvertraglichen „Dach und Fach“ Regelung zulasten des Mieters – gilt dies umso mehr.
Schließlich ist es auch in Fällen, in denen die Dachfläche nicht (ausdrücklich) Teil der Mietsache ist, aus Vermietersicht ratsam, den Mieter vorsorglich einzubeziehen. Photovoltaikanlagen in der für gewerbliche Objekte interessanten Größenordnung werden in aller Regel fest mit der Dachsubstanz verbunden und stellen damit eine bauliche Veränderung des Gebäudes dar – im Übrigen stellen auch Veränderungen der Anlagentechnik bauliche Veränderungen des Gebäudes dar. Wenn keine Volleinspeisung in das öffentliche Netz gewünscht ist, sondern (auch) die Versorgung des Mieters in Rede steht, ergibt sich ohnehin Regelungsbedarf.
Zu berücksichtigen ist auch, dass das Dach mit Klimageräten, Dachantennen oder Telekommunikationsanlagen oft verschiedenste weitere Anlagen beheimatet. Bestandteile, Einrichtungen und Zubehör gelten, so keine abweichenden Vereinbarungen getroffen werden, in der Regel als mitvermietet, so dass Beeinträchtigungen dieser Anlagen auch den Mieter tangieren.
2. Gesetzliche Duldungspflichten des Mieters
Die Installation einer Photovoltaikanlage kann als Modernisierungsmaßnahme gesetzliche Duldungspflichten des Mieters auslösen. Auf gewerbliche Mietverhältnisse finden gemäß § 578 Abs. 2 S. 1 BGB die § 555d Abs. 1 – 6 BGB entsprechende Anwendung.
In der Vergangenheit waren Gerichte bei der Annahme einer Duldungspflicht für den Fall, dass der gewonnene Strom voll in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird, zurückhaltend. Die Pflicht zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen gelte nur für Maßnahmen, die einen Bezug zur Mietsache haben, d.h. sofern Mieterinteressen durch die Maßnahme betroffen werden. Eine Duldungspflicht könne sich allenfalls aus § 242 BGB ergeben. Der nach diesen Entscheidungen neu eingeführte § 555b Nr. 2 BGB setzt hingegen gerade keinen unmittelbaren Bezug zur Mietsache mehr voraus, so dass diese Entscheidungen überholt sein dürften.
Sofern der Vermieter jedenfalls einen Teil des photovoltaisch erzeugten Stroms dem Mieter zur Verfügung stellt, handelt es sich nach ganz überwiegender Ansicht um eine Modernisierungsmaßnahme – umstritten ist lediglich, ob diese unter § 555b Nr. 1 oder Nr. 2 BGB fällt. Diese Unterscheidung wirkt sich nicht auf die Duldungspflicht aus, sondern allenfalls auf eine etwaige Mieterhöhung. Die Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen ist nicht für Maßnahmen nach § 555b Nr. 2 BGB vorgesehen. Im Bereich der Geschäftsraummiete gilt § 559 BGB zu Mieterhöhungen allerdings ohnehin nicht, sofern die Vorschrift nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt wird.
Zu spezifischen Fragen wie dem Umfang der Maßnahme, die im Einzelfall noch von dem Mieter zu dulden ist, oder dem Spannungsverhältnis in Bezug auf vertragliche Abreden zu der Außengestaltung des Objektes oder konkurrierenden Anlagen auf dem Dach, verhält sich die gesetzliche Regelung nicht.
3. Vertragliche Gestaltung
Eindeutig vorzugswürdig ist deshalb eine klare vertragliche Regelung, in welcher der Mieter (vorsorglich) der Nutzung des Daches des Gebäudes für die Errichtung und den Betrieb einer oder mehrerer Photovoltaikanlagen – durch den Vermieter selbst oder durch Dritte – zustimmt. Regelmäßig enthalten Mietverträge eine Klausel, welche die Zulässigkeit von baulichen Maßnahmen bzw. baulichen Veränderungen durch den Vermieter regelt und konkretisiert. Vermieterfreundlich gestaltete Verträge enthalten teilweise auch die Regelung, dass bauliche Maßnahmen des Vermieters ohne vorherige Zustimmung des Mieters zulässig sind, welche der Modernisierung des Grundstückes bzw. des Gebäudes dienen.
Vorsorglich sollte die konkrete Berechtigung des Vermieters aufgenommen werden, die für die Nutzung und den Betrieb, die Unterhaltung, die Änderung und die Erneuerung der Photovoltaikanlage erforderlichen baulichen Veränderungen auf dem Dach, insbesondere die Verlegung von Kabeln, die Errichtung von für den Betrieb der Photovoltaikanlage notwendigen Infrastruktureinrichtungen (Schaltanlagen, Messeinrichtungen, Verkabelungen, Einspeisestation etc.) sowie sonstige Installationen durchzuführen oder durch einen Dritten (als möglichen Betreiber der Photovoltaikanlage) durchführen zu lassen. Aus Sicht des Betreibers der Photovoltaikanlagen ist es zudem ratsam, eine Verpflichtung des Mieters aufzunehmen, alle baulichen Maßnahmen oder Anpflanzungen auf der übrigen Mietsache zu unterlassen, die zu einer Verschattung oder einer sonstigen Beeinträchtigung des Betriebs der Photovoltaikanlagen führen könnten.
Sofern die Entscheidung über die Errichtung einer solchen Anlage noch nicht getroffen wurde, bietet es sich aus Vermietersicht an, diese Entscheidung ausdrücklich in das freie Ermessen zu stellen, um Diskussionen um eine etwaige Pflicht zur Bereitstellung der Anlage oder zu einer späteren Stromversorgung zu vermeiden.
Je konkreter die Klausel, desto weniger potenzielle Streitpunkte bestehen im Nachgang. Oft werden maßgebliche Punkte übersehen, die im Laufe der Zeit virulent werden können – nur beispielhaft sei auf folgende Punkte hingewiesen:
- Das Recht zur Wahl des jeweiligen Stromvermarktungskonzepts sollte beim Vermieter verbleiben. Dabei stehen dem Betreiber der Photovoltaikanlage grundsätzlich verschiedene Optionen zur Auswahl:
- Belieferung des Mieters im Rahmen der sonstigen Direktvermarktung i.S.v. § 21a EEG und auf der Grundlage eines Stromliefervertrags (in diesen Fällen auch häufig On-Site Power Purchase Agreement („On-Site PPA“) genannt);
- Volleinspeisung zur Inanspruchnahme einer EEG-Förderung (Einspeisevergütung oder Marktprämie je nach Größe der Anlage);
- Belieferung der Mieter im Rahmen des Mieterstrommodells, welches künftig auch für Gewerbegebäude gilt (vgl. § 19 Abs. 3 EEG, § 42a EnWG);
- Belieferung der Mieter im Rahmen der neuen Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung und auf Grundlage eines Gebäudestromnutzungsvertrags (vgl. § 42b EnWG).
- Die Grundzüge einer etwaigen Strombelieferung durch den Vermieter bzw. einen Dritten und einer etwaigen Stromabnahme durch den Mieter können, sofern sie nicht im freien Ermessen des Vermieters stehen, bereits adressiert werden; ihre konkrete Ausgestaltung ist in aller Regel aber einem separaten Stromliefervertrag zwischen dem Betreiber der Photovoltaikanlagen und dem Mieter vorbehalten (On-Site PPA, Mieterstromvertrag oder Gebäudestromnutzungsvertrag). Die Möglichkeit zur Abnahme des mit der Photovoltaikanlage erzeugten Stromes, der in aller Regel günstiger als Strom aus dem öffentlichen Netz ist, dürfte regelmäßig die Bereitschaft des Mieters erhöhen, der Errichtung der Photovoltaikanlage zuzustimmen.
- Ist die Strombelieferung einem separaten Stromliefervertrag vorbehalten, sind die vertraglichen Regelungen des Mietvertrags und Stromliefervertrag aufeinander abzustimmen (z.B. klare Abgrenzung des jeweiligen Vertragsgegenstandes, Laufzeiten, ggfs. gleichlaufende Kündigungsrechte, ggfs. aufschiebende Bedingungen zwischen beiden Verträgen) und die kommerziellen Bedingungen, insbesondere das Verhältnis vom Pachtzins zum Preis für Strombelieferung, zu klären.
- Implementierung von Reporting-Pflichten des Mieters, um dem Vermieter Informationen und Daten zur Verfügung zu stellen, die im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Nutzung und/oder Bewirtschaftung des Mietgegenstandes stehen und für ein ESG-Reporting bzw. ein vergleichbares Reporting des Vermieters erforderlich sind.
- Aufnahme einer Regelung zur Tragung der laufenden Kosten und Reparaturkosten; Vereinbarung der Umlagefähigkeit im Zusammenhang mit der Photovoltaikanlage stehender Kosten.
- Jederzeitiger Zugang vom Vermieter und Dritten zu den Dachflächen und der Photovoltaik-Anlage für die Installation, den Betrieb, die Wartung, Inspektionen etc.
- Vereinbarung der Umlage von Nebenkosten unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (z.B. Mess- und Zähltechnik, Versicherung).
- Die Berücksichtigung (gewerbe-)steuerrechtlicher Implikationen verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten.
Der Mieter wird regelmäßig darauf bestehen, dass Störungen seines Geschäftsbetriebes vermieden und insbesondere etwaige sonstige Anlagen auf dem Dach nicht beeinträchtigt werden.
4. Nachträgliche Installation der Photovoltaikanlage durch den Mieter
Sofern auch die Dachfläche nach der vertraglichen Vereinbarung einen Teil des Mietobjektes darstellt, richtet sich die Zulässigkeit der Errichtung und des Betriebs einer Photovoltaikanlage durch den Mieter nach den Grenzen vertragsgemäßen Gebrauchs. Sofern der vertragsgemäße Gebrauch überschritten wird, steht dem Vermieter ein Unterlassungsanspruch nach § 541 BGB zu.
Der vertragsgemäße Gebrauch ergibt sich aus den entsprechenden Bestimmungen des Mietvertrages, insbesondere zum Nutzungszweck. Regelmäßig unterliegt wird die Vornahme baulicher Veränderungen der Mietsache einem Zustimmungsvorbehalt des Vermieters. Bei der Installation einer fest mit der Dachsubstanz verbundenen Photovoltaikanlage dürfte der vertragsgemäße Gebrauch regelmäßig überschritten werden, sofern nicht eine anderweitige Regelung getroffen wurde. In der Regel wird demnach die Zustimmung des Vermieters erforderlich sein.
Sofern dem Mieter die Möglichkeit zur Errichtung und zum Betrieb einer Photovoltaikanlage vertraglich eingeräumt werden soll, sind wiederum diverse Punkte zu berücksichtigen. Es gilt zu klären, ob es dem Mieter freistehen soll, die Photovoltaikanlage selbst zu nutzen oder (in beliebiger rechtlicher Ausgestaltung?) an Dritte zu vermieten bzw. zu überlassen. Punkte wie die Rückbauverpflichtung und Rückbaukosten, die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht, die Übernahme laufender Kosten, die Verantwortung für Genehmigungen und die Einhaltung von Meldepflichten etc. bedürfen einer klaren Regelung. Auch empfiehlt sich die Feststellung des Zustandes des Daches vor der Errichtung der Anlage durch einen Sachverständigen. Ferner ist die genaue Verortung der Photovoltaikanlage auf dem Dach erforderlich, da sich regelmäßig diverse weitere Anlagen – ggf. auch zugunsten anderer Mieter – auf dem Dach befinden. Typischerweise wird der Mieter zudem auf eine Regelung zur Scheinbestandteilseigenschaft der von ihm zu errichtenden Photovoltaikanlage oder auf zusätzliche Regelungen aufgrund einer Fremdfinanzierung der Photovoltaikanlage (z.B. erforderliche Sicherungsübereignung, Verzicht auf Vermieterpfandrecht etc.) bestehen.
Es gilt zudem den jeweiligen Einzelfall zu beleuchten. Beabsichtigt der Vermieter etwa eine Sanierung des Daches während der geplanten Betriebsdauer der Photovoltaikanlage, so sollten insoweit etwa die Kosten für die Demontage, die Einlagerung und den Wiederaufbau der Photovoltaikanlage bedacht werden.
Neben den bereits angeklungenen Aspekten stellen sich in der Praxis im Einzelfall diverse weitere Fragen. Gerne unterstützen wir Sie bei jeglichen rechtlichen Fragen rund um die Errichtung von Photovoltaikanlagen, sowie die Strukturierung und die Optimierung Ihrer Planung.
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