Überblick
Die Corona-Pandemie macht vor der Immobilienbranche nicht halt. Das offensichtlichste Beispiel sind die nun vielfach ausbleibenden Mietzahlungen, die Immobilieninvestoren vor Probleme stellen. Die (miet-)rechtlichen Auswirkungen der aktuellen Gesetzeslage sind in den letzten Tagen vielfach beleuchtet worden (siehe unser FAQ hierzu). Verwalter von Immobilienfonds und deren Asset Manager sehen sich überdies mit aufsichtsrechtlichen Themen konfrontiert:
- Wie können Fondsimmobilien aktuell bewertet werden
- Sind vertragliche oder gesetzliche Ausnahmen möglich?
- Besteht Anlass für Sonderbewertungen?
- Und welchen (aufsichtsrechtlichen) Handlungsspielraum haben Kapitalverwaltungsgesellschaften und deren Asset Manager bei Verhandlungen mit Mietern hinsichtlich Stundung von Mieten und/oder Inanspruchnahme von Mietsicherheiten?.
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- Durchführung von Bewertungen trotz Kontaktverbot/AusgangssperrenDie Immobilien offener und geschlossener Immobilienfonds werden regelmäßig von externen Sachverständigen bewertet. Dabei sind idR zwingend Objektbesichtigungen vorzunehmen. Was unter normalen Umständen selbstverständlich scheint, wird in Zeiten von Ausgangssperren und Kontaktverboten zum Problem. So können Gebäude nicht mehr zugänglich sein oder die Reise an Ort und Stelle setzt die Sachverständigen einem nicht zumutbaren Ansteckungsrisiko aus.Das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) regelt für offene und geschlossene Immobilien-Publikumsfonds, dass neue Objekte nur nach Bewertung durch einen oder (je nach Wert) zwei externe Sachverständige erworben werden dürfen. §§ 231 Abs. 2 Nr. 2 und 261 Abs. 5 KAGB bestimmen ausdrücklich, dass der oder die Sachverständigen dafür Objektbesichtigungen vornehmen müssen. Das gleiche gilt für die laufende Bewertung nach Erwerb, welche stets von zwei Bewertern durchgeführt wird. Das Besichtigungserfordernis gilt unabhängig davon, wo sich die Liegenschaft befindet. Einige deutsche Immobilienfonds investieren weltweit; die von den Fondsgesellschaften bestellten Bewerter kommen dennoch zum Teil aus Deutschland und decken internationale Portfolien ab. Bereits in der Vergangenheit gab es Krisenfälle, in denen die Besichtigung von Immobilien durch die Bewerter unmöglich oder unzumutbar war. So wurden etwa nach dem Unfall im Atomkraftwerk Fukushima Besichtigungen japanischer Objekte ausgesetzt. Ein regional übergreifendes Szenario wie die derzeitige Corona-Krise ist jedoch in der Historie der deutschen Immobilienfonds neu.
Wenn ein Bewertungstermin ansteht, das Gesetz eine Besichtigung fordert und diese aus Infektionsschutzgründen nicht stattfinden kann, gibt es zwei Handlungsmöglichkeiten. Entweder die Bewertung wird insgesamt verschoben, bis eine Besichtigung wieder möglich ist. Oder die Bewertung wird pünktlich, aber ohne Besichtigung vorgenommen, und der Sachverständige versucht sich ohne persönlichen Vor-Ort-Termin so viele Informationen wie möglich zu beschaffen. Beide Wege stehen mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht im Einklang. Mangels anderer Handlungsalternativen bedarf es daher einer zweckmäßigen Auslegung.
Aus unserer Sicht scheint in der vorliegenden Ausnahmesituation die zweite Lösung vorzugswürdig. Für viele Gebäude dürfte es möglich sein, auf elektronischem Weg aktuelle Foto- oder Filmaufnahmen des Zustands zu beschaffen. Die Fondsgesellschaften verfügen vor Ort über Hausverwalter als Kontaktpersonen. Zumindest diese müssten in aller Regel noch an und in die Immobilien gelangen, um entsprechende Aufnahmen für die Bewerter zu liefern. Selbst eine Desktop-Bewertung anhand aktueller Dokumente und Zahlen ist im Zweifel aussagekräftiger als ein veralteter Wert. Bei geplanten Ankäufen wird die Erstbewertung regelmäßig erst dann vorgenommen, wenn der Kaufabschluss hinreichend sicher ist. Dann aber kann sie nicht mehr aufgeschoben werden, bis eine Besichtigung wieder möglich ist. Denn kein Verkäufer ließe sich bei einem weit fortgeschrittenen Verhandlungsstand, meist verbunden mit einem konkreten Zeithorizont für den Geschäftsabschluss, auf unbestimmte Zeit an seinem Angebot festhalten.
Die Abteilung Bankenaufsicht der BaFin hat im Rahmen der Beleihungswertermittlung für als Pfandbriefsicherheit dienende Immobilien bereits erklärt, dass Videobesichtigungen derzeit zulässig und ausreichend sind. Wenn selbst diese scheitern, darf die Wertermittlung dennoch erfolgen, allerdings müssen bestimmte Abschläge vorgenommen werden (siehe hier). Für den Bereich der Immobilienfonds wird eine Erklärung der BaFin noch erwartet.
Bei offenen Spezialfonds darf von den gesetzlichen Vorgaben für die Objektbesichtigung abgewichen werden. Für geschlossene Spezialfonds ist das Erfordernis nicht gesetzlich vorgeschrieben. In der Praxis sehen jedoch die meisten Anlagebedingungen oder Bewertungsrichtlinien eine Wertermittlung unter Einschluss von Besichtigungen vor, wenn auch mit unterschiedlicher Häufigkeit. Da hier kein zwingendes Recht vorliegt, kann das Besichtigungserfordernis mit Zustimmung aller Anleger vorübergehend abbedungen werden. Es empfiehlt sich, möglichst genau festzulegen unter welchen Umständen bzw. für welchen Zeitraum nicht besichtigt werden muss, und welche Maßnahmen stattdessen getroffen werden. Auch die Zustimmung der Anleger sollte angemessen dokumentiert werden.
- Sonderbewertungen infolge von CoronaAm 28. März 2020 trat ein Paket von Notgesetzen in Kraft, das unter anderem Eingriffe in bestehende Mietverhältnisse vornimmt. Mieter und Pächter gleich welcher Art – Wohnungs- und Gewerbeimmobilien – dürfen nicht deswegen gekündigt werden, weil sie für den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 die Miete schuldig bleiben. Der relevante Zeitraum kann per Verordnung bis Ende September 2020, also insgesamt auf ein halbes Jahr verlängert werden. Sollte die Krise andauern, kann der Bundestag die Frist sogar noch weiter ausdehnen.In der Folge des Gesetzes (und der tatsächlichen Umstände) ist zu erwarten, dass bei (Fonds-) Immobilien viele Mietzahlungen ausbleiben. Dies wird nicht nur die ausschüttbaren Erträge der Fonds mindern, auch der Wert der Immobilien und damit der Anteilpreis der Fonds könnte hierdurch negativ beeinflusst werden. Der für den Anteilpreis maßgebliche Verkehrswert einer Immobilie ist „der Preis, der zum Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, nach der sonstigen Beschaffenheit und der Lage der Immobilie ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre“ (§ 2 Nr. 5 KARBV). Dieser Wert wird in der Regel anhand eines Ertragswertverfahrens bestimmt, vgl. § 30 Abs. 1 KARBV. Wie der Name sagt sind hierbei wesentliche Bewertungsfaktoren die langfristig erzielbare und die tatsächlich erzielte Miete. Gemäß § 251 Abs. 1 KAGB muss die Kapitalverwaltungsgesellschaft eine außerplanmäßige Neubewertung veranlassen, wenn „der zuletzt ermittelte Wert auf Grund von Änderungen wesentlicher Bewertungsfaktoren nicht mehr sachgerecht ist“. Diese Vorschrift gilt nur für Publikumsfonds zwingend; allerdings sehen die meisten Immobilien-Spezialfonds eine vergleichbare Klausel in ihren Anlagebedingungen vor. Außerordentliche Neubewertungen sollen jedoch nicht willkürlich oder überstürzt erfolgen; die KVG hat ihre Entscheidung und die Gründe dafür zu dokumentieren.
Für die Notwendigkeit einer Neubewertung könnte derzeit Folgendes sprechen: Obgleich sich die Immobilien und Mietverträge (noch) nicht verändert haben, verringert das oben erwähnte Notgesetz die erzielbaren bzw. erwartbaren Mieteinnahmen bei deutschen Objekten für 2020. Das allein mag noch keinen wesentlichen Einfluss auf die längerfristige Mieterwartung haben, an der sich ein verständiger Käufer orientieren würde. Das Notgesetz ist jedoch nicht die einzige Folge der Corona-Epidemie, die negativ auf den Immobilien- und Mietmarkt durchschlagen dürfte. Zum einen sind in nächster Zeit vermehrt Unternehmensinsolvenzen infolge Umsatzausfalls zu erwarten, zumindest in von der Krise stark betroffenen Branchen. An dieser Entwicklung dürfte die – ebenfalls als Notgesetz beschlossene – zeitweise Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nur begrenzt etwas ändern. Aber auch Unternehmen, die die Krise unbeschadet überstehen, werden vielfach kostenbewusster arbeiten müssen als bisher. Schließlich wird eine Rezession inzwischen allgemein erwartet.
Bei den genannten Faktoren ist derzeit meist nicht klar, wann und wie genau sie sich auf die Ertragssituation einer Immobilie auswirken, was gegen eine umgehende Neubewertung spricht. Denn wenn nicht klar ist, ob und wie der in der Verkehrswertdefinition genannte objektive Käufer diese Faktoren einpreisen würde, birgt auch die Wertermittlung viele Unsicherheiten. Zudem finden derzeit nur wenige Vergleichstransaktionen statt – der Immobilienmarkt befindet sich in einer Abwartehaltung.
Im Rahmen des Ertragswertverfahrens muss notwendigerweise mit Prognosen gearbeitet werden. Zumindest bei den Methodenvarianten, die bevorzugt in Deutschland zum Einsatz kommen, ist die Vorwegnahme von erst erwarteten Wertschwankungen jedoch nicht das Ziel.
Da die Anlage in Immobilien eine langfristige ist, soll die Bewertung nicht zu einer kurzfristigen, ggf. künstlichen Volatilität der Werte führen. Bei einer Neubewertung zum jetzigen Zeitpunkt könnten die Sachverständigen vor dem Dilemma stehen, dass sie zwar erwartbare, aber noch nicht eingetretene und damit nicht konkret messbare Folgen der Corona-Krise außer Acht lassen. Dann verändern sich die festgestellten Immobilienwerte womöglich nicht bzw. nur geringfügig, obwohl in einer echten Verkaufssituation ein deutlich niedrigerer Preis geboten würde. Oder sie versuchen diese Faktoren bereits mit einzubeziehen, was mit einem nicht unbeträchtlichen Maß an Spekulation einherginge. Es könnten dann Wertänderungen festgestellt werden, die sich anschließend am Markt als übertrieben erweisen.
Dieses Dilemma ist nicht neu. Dem Bewertungsverfahren bei deutschen Immobilienfonds wurde anlässlich früherer Krisen zum Teil vorgeworfen, es hätte einen zu sehr nachlaufenden oder glättenden Charakter. Wertveränderungen der Objekte würden erst im Nachhinein, oder in zu kleinen Schritten von Bewertungstermin zu Bewertungstermin eingepreist. Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass die Entscheidung für oder gegen eine außerplanmäßige Neubewertung bei vielen Objekten deutscher Immobilienfonds nicht einfach sein dürfte. KVGen sollten die Gründe für das von ihnen gewählte Vorgehen daher auf jeden Fall sorgfältig dokumentieren.
- Aufsichtsrechtlicher Handlungsspielraum bei Verhandlungen mit Mietern
Gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 2 KAGB sind KVGen verpflichtet, ihre Fondsportfolien stets im besten Interesse der Anleger zu verwalten. In der vorliegenden Situation muss daher je nach Nutzungsart und mietvertraglicher Gestaltung entschieden werden, wie die Erträge aus einem Objekt am besten gesichert werden. Auch bei größtmöglicher treuhänderischer Sorgfalt werden Mietausfälle kaum vermeidbar sein. Die Herausforderung für die Fondsverwalter besteht darin, im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens unter mehreren Gestaltungsvarianten diejenige zu wählen, durch die dem Fondsvermögen der geringste Schaden entsteht.So gilt es beispielweise abzuwägen, ob auf Mietzahlungen säumiger Mieter beharrt wird (nebst entsprechender Geltendmachung von Verzugszinsen und Nutzung von Mietsicherheiten) oder ob nicht eine Stundung oder gar der vorübergehende Verzicht auf Mieten im Gegenzug für eine Mietvertragsverlängerung oder die Stellung zusätzlicher Sicherheiten im Interesse der Anleger vorzugswürdig ist. Schließlich muss die Befassung mit den einzelnen Objekten und Mietern zeitnah und effizient, aber auch nachvollziehbar erfolgen. Die KVGen haben einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum, der mit einer entsprechend großen Verantwortung einhergeht. Die getroffenen Entscheidungen einschließlich der Informationen und Annahmen, auf denen sie beruhen, sollten deshalb sorgfältig abgewogen und dokumentiert werden.Wir unterstützen und beraten Sie gerne, sowohl auf der Regulierungs- als auch auf der immobilienrechtlichen Ebene. Sprechen Sie uns gerne jederzeit an.