Wegzugsbesteuerung für Investmentanteile | McDermott

Wegzugsbesteuerung für Investmentanteile

Überblick


Wer wegzieht und Investmentanteile hat oder diese ins Ausland überträgt, muss künftig Steuern zahlen – auch ohne Veräußerung.

Privatanleger von Investmentfonds müssen künftig Steuern zahlen, wenn sie Deutschland verlassen und Investmentanteile zu Preisen von mindestens 500.000 € erworben haben; dazu gehören auch die gängigen ETFs. Dies beschlossen Bundestag und Bundesrat mit dem Jahressteuergesetz 2024. Die Neuregelung gilt ab dem 1. Januar 2025 (§ 57 Abs. 10 Investmentsteuergesetz neuer Fassung, „InvStG nF“). Anleger können jedoch dafür sorgen, dass – auch nach dem 1. Januar 2025 – die Wegzugsbesteuerung nicht anfällt oder nur ratierlich zu zahlen ist. Für Kapitalgesellschaften und betriebliche Anleger (etwa Unternehmer) galten ähnliche Regeln zur Wegzugsbesteuerung schon bisher. Für Depotbanken und Kapitalverwaltungsgesellschaften wirkt sich die Neuregelung nicht unmittelbar aus.

Weitere Informationen


Inhaber von Investmentanteilen müssen bei Wegzug Wertzuwächse versteuern

1. Beispiel

Zur Einführung folgendes Beispiel: Ein Steuerpflichtiger bespart 22 Jahre lang einen ETF-Sparplan mit monatlich 2.000 €. Nach 22 Jahren hat er damit Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 528.000 €; der Wert seiner ETF-Anteile liegt bei 828.000 €. Verlässt er nun Deutschland und zieht ins Ausland, so unterliegt der Wertzuwachs von 300.000 € grundsätzlich der neuen Besteuerung. In dem üblichen Fall eines Aktienfonds fällt Einkommensteuer von über 50.000 € an, ohne dass diese aus einem tatsächlichen Mittelzufluss gezahlt werden könnte („dry income“).

2. Betroffene Investmentanteile

Betroffen sind Privatpersonen in Deutschland, die für mindestens 500.000 € Investmentanteile erworben haben, etwa ETFs, Equity Fonds oder Rentenfonds, oder mindestens 1 % der Anteile eines Investmentfonds (§ 19 Abs. 3 Satz 2 InvStG nF). Auch Privatanleger, die in (seltenere) sog. Spezial-Investmentfonds investiert haben, sind betroffen, und zwar unabhängig von der Höhe ihres Anteils (§ 49 Abs. 5 Satz 1 InvStG nF). Sowohl Anteile, die direkt gehalten werden, als auch solche, die über vermögensverwaltende Personengesellschaften gehalten werden, sind erfasst.

3. Betroffene Anleger und Auslöser der Besteuerung

Für die Wegzugsbesteuerung muss der Wegziehende in den zwölf Jahren vor seinem Wegzug mindestens sieben Jahre in Deutschland gewohnt haben oder eine Wohnung in Deutschland gehabt haben. Ein Wegzug liegt häufig etwa dann vor, wenn die letzte Wohnung in Deutschland aufgegeben wird (§ 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 bzw. § 49 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 InvStG nF mit Verweis auf § 6 Abs. 2 Außensteuergesetz).

Die Steuer fällt auch an, wenn Investmentanteile verschenkt oder vererbt werden und der Empfänger nicht in Deutschland wohnt. Denn die Neuregelung unterwirft auch unentgeltliche Übertragungen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen der Steuer (§ 19 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2, § 49 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 InvStG nF).

Zudem muss die Steuer u.a. derjenige zahlen, wer den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen ins Ausland verlagert – auch wenn er seinen Wohnsitz in Deutschland behält (§ 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, § 49 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 InvStG nF).

Für betriebliche Anleger (etwa Unternehmer) und Kapitalgesellschaften, die ihre Anlagen im Betriebsvermögen halten, galten ähnliche Regeln schon bisher und unabhängig vom neuen Jahressteuergesetz 2024 (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 ff., § 16 Abs. 3a Einkommensteuergesetz, § 12 Körperschaftsteuergesetz). Für sie ändert sich nichts – und sie müssen nach wie vor die Möglichkeit einer Wegzugsbesteuerung berücksichtigen.

4. Steuer beträgt 25 % des Wertzuwachses seit Anschaffung der Investmentanteile

Die Steuer beträgt grundsätzlich 25 % (§ 32d Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz) des Wertzuwachses seit Anschaffung. Der steuerpflichtige Wertzuwachs mindert sich sowohl durch in vorangehenden Jahren versteuerte Vorabpauschalen (§ 18 InvStG) als auch durch die Teilfreistellung in Höhe von 30 % bei Aktienfonds (§ 20 InvStG).

Der Steuerpflichtige muss den „Wegzugsgewinn“ in seiner eigenen Steuererklärung angeben (§ 32d Abs. 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz). Eine (automatische) abgeltende Kapitalertragsteuer wird nicht erhoben (§ 19 Abs. 3 Satz 5 und § 49 Abs. 5 Satz 7 InvStG nF).

5. Mögliche Auswege

Anleger können dafür sorgen, dass die Wegzugsbesteuerung nicht anfällt oder nur ratierlich zu zahlen ist: Im Optimalfall verteilt der Anleger seine Anlage frühzeitig auf verschiedene Investmentfonds, sodass die Anschaffungskosten einer einzelnen Beteiligung unter 500.000 € liegen und diese 1 % der ausgegebenen Investmentanteile nicht überschreitet. Ist dies nicht (mehr) möglich, ist denkbar, dass der Anleger seine Beteiligung in ein inländisches Betriebsvermögen einlegt oder auf eine Stiftung überträgt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass der Anleger innerhalb von sieben Jahren nach Wegzug oder Übertragung ins Ausland die Investmentanteile wieder zum deutschen Fiskus „zurückholt“, indem er etwa nach Deutschland zurückzieht und unbeschränkt steuerpflichtig wird (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Außensteuergesetz).

Führt keiner dieser Ansätze zu einer tragfähigen Lösung, kommen etwa die Hinauszögerung des Wegzugs oder gar die tatsächliche Veräußerung der Investmentanteile in Betracht; dann kann die Steuer wenigstens aus tatsächlich zugeflossenem Erlös bezahlt werden. Beruht die Steuer nicht auf einer tatsächlichen Veräußerung, kann außerdem beantragt werden, die Steuer zu stunden und in sieben gleichen Jahresraten zu entrichten (§ 19 Abs. 3 Satz 3, § 49 Abs. 5 Satz 3 InvStG nF, § 6 Abs. 4 Außensteuergesetz). Dem Stundungsantrag wird nach der aktuellen Gesetzesfassung – deren Rechtmäßigkeit hochumstritten ist – aber in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung stattgegeben.

6. Depotbanken, Investmentfonds, Kapitalverwaltungsgesellschaften 

Für Depotbanken, Investmentfonds oder Kapitalverwaltungsgesellschaften wirkt sich die Neuregelung grundsätzlich nicht aus. Depotbanken müssen sich nicht um zusätzliche Kapitalertragsteuern kümmern (§ 19 Abs. 3 Satz 5 und § 49 Abs. 5 Satz 7 InvStG nF).

7. Auswirkungen auf die steueroptimierte Vermögensgestaltung

Die neue Wegzugsbesteuerung verschafft der Anlage in Investmentfonds im Vergleich zur Direktanlage in Aktien oder anderen Anteilen an Kapitalgesellschaften einen steuerlichen Nachteil: Aktien oder GmbH-Geschäftsanteile unterfallen einer Wegzugsbesteuerung nur dann, wenn der Anleger zu mindestens 1 % am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist; Anschaffungskosten in Höhe von 500.000 € reichen hier nicht. Bei einer strategischen Steuerplanung ist dies zu berücksichtigen.

8. Hintergrund der Änderung: Gleichbehandlung mit Inhabern von Kapitalgesellschaftsanteilen

Mit der Neuregelung will der Gesetzgeber Inhaber von Investmentanteilen gleich behandeln mit Inhabern von Kapitalgesellschaftsanteilen. Ausweislich der Gesetzesbegründung konnte ein Steuerpflichtiger wesentliche Kapitalgesellschaftsbeteiligungen von wenigstens 1 % (etwa GmbH-Anteile) auf Investmentfonds übertragen und anschließend alle Investmentanteile erwerben. Zog der Steuerpflichtige nun weg, musste er darauf keine Steuer zahlen – im Gegensatz zum Inhaber der wesentlichen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen. Nicht nachvollziehbar ist deshalb, weshalb nach der Neuregelung alternativ auch Anschaffungskosten von mindestens 500.000 € für die Wegzugsbesteuerung genügen, weil die Höhe der Anschaffungskosten für die bisherige Regelung irrelevant ist (§ 6 Außensteuergesetz).