Whistleblower Update - Das Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes | McDermott

Whistleblower Update – Das Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes

Überblick


Düsseldorf, den 14. Juni 2023 – Das Gesetz zur Umsetzung der WhistleblowerRichtlinie („Hinweisgeberschutzgesetz“ – HinSchG) wurde am 2. Juni 2023 verkündet und tritt am 2. Juli 2023 in Kraft. Unternehmen ab 50 Beschäftigten werden verpflichtet, innerhalb einer vorgesehenen bestimmten Frist Hinweisgebersysteme einzurichten. Für Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten gilt eine
Übergangsregelung: Sie müssen die Regelungen erst ab dem 17. Dezember 2023 umsetzen.

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1. HINTERGRUND
Das Ziel des Hinweisgeberschutzgesetzes ist die Umsetzung der sog. EUWhistleblower- Richtlinie (EU) 2019/1937 vom 23. Oktober 2019 für einen verbesserten Hinweisgeberschutz und zur Schaffung von mehr Rechtssicherheit bei der Meldung oder Offenlegung von Missständen in Unternehmen und Behörden. Ziel des Gesetzes ist der Schutz sogenannter „hinweisgebenden Personen“, d.h. natürliche Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über (Compliance-)Verstöße bzw. Verstöße gegen das Unionsrecht erlangt haben und diese an dafür vorgesehene Meldestellen berichten.

2. ADRESSATEN DES HINWEISGEBERSCHUTZGESETZES
Grundsätzlich sind Hinweisgebersysteme von privaten Arbeitgebern mit mindestens 50 Beschäftigten einzurichten. Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten müssen die Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes bis spätestens 17. Dezember 2023 umgesetzt haben. Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von mehr als 250 Beschäftigten sind zur Umsetzung bereits ab dem 2. Juli 2023 verpflichtet. Gleiches gilt für stark regulierte Unternehmen nach § 12 Abs. 3 HinSchG ungeachtet ihrer Beschäftigtenzahl wie beispielsweise Kapitalverwaltungsgesellschaften oder Versicherungsunternehmen. Für börsennotierte Unternehmen enthält A.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex eine Empfehlung zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems, die unabhängig von der Größe oder Mitarbeiterzahl des Unternehmens ist.

3. VERPFLICHTUNGEN UND KONSEQUENZEN FÜR DIE UNTERNEHMEN
Die Unternehmen werden verpflichtet, für die Hinweisgeber interne Meldestellen einzurichten (und zu betreiben) sowie den Weg zu externen Meldestellen zu ermöglichen. Interne Meldestellen betreffen dabei Stellen, die bei dem Arbeitgeber selbst oder einem von dem Arbeitgeber betrauten Dritten (z.B. einer Rechtsanwaltskanzlei), vgl. § 14 Abs. 1 HinSchG, eingerichtet und betrieben werden.

In einem internationalen Konzern kann „Dritter“ auch eine andere Konzerngesellschaft sein. Dabei ist sicherzustellen, dass durch die Implementierung einer zentralen Meldestelle bei einer Konzerngesellschaft keine etwaigen Zugangshindernisse gegenüber einer Einrichtung unmittelbar in der eigenen Gesellschaft bestehen. So müssen z.B. Meldungen in der in dem betrauenden Unternehmen vorherrschenden Arbeitssprache möglich sein. Im Fall der Betrauung eines Dritten mit den Aufgaben einer internen Meldestelle verbleibt die Pflicht zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Abstellung etwaiger Verstöße bei der betrauenden Gesellschaft, vgl. § 14 Abs. 1 S. 2 HinSchG.

Gleichzeitig wird hinweisgebenden Personen aufgetragen den internen Weg vorzuziehen, wenn dieser Erfolg verspricht und keine Repressalien zu befürchten sind. Ungeachtet dessen haben hinweisgebende Personen weiterhin die Wahl, ob sie sich einer internen Meldestelle bedienen oder ihren Hinweis – möglicherweise auch aufgrund der Befürchtung mangelnder Anonymität – einer externen Meldestelle melden. Rechtsfolgen für eine vom gesetzgeberischen Willen abweichende Priorisierung der externen Stelle durch hinweisgebende Personen sieht das Gesetz nicht vor.

Externe Meldestellen sind dafür zuständige Behören, die befugt werden, Meldungen entgegenzunehmen. Eine solche externe Meldestelle wird beispielsweise beim Bundesamt für Justiz oder durch die Bundesländer in den jeweiligen Landes- und Kommunalverwaltungen eingerichtet. Internen und externen Meldestellen ist gemein, dass sie durch das Gesetz nicht verpflichtet werden, anonyme Meldekanäle einzurichten. Anonyme Hinweise sind jedoch trotzdem zu beachten und zu bearbeiten.

Durch das Hinweisgeberschutzgesetz wird den Unternehmen (zudem) verboten, Repressalien gegen die hinweisgebende Person vorzunehmen. Bereits die Androhung und der Versuch von Sanktionen sind untersagt. Dies betrifft vor allem die Suspendierung, Kündigung, Gehaltsminderung, Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages sowie jegliche Einschüchterungsversuche seitens des Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten. Das Gesetz sieht eine arbeitnehmerschützende Beweislastumkehrung vor, die in der Praxis zumindest beim Hauptfall „Kündigung“ wegen der nach dem Kündigungsschutzgesetz bereits bestehenden Verteilung der Darlegungslasten keine große Rolle spielen wird und gegebenenfalls nur bei Kündigungen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes eine Änderung mit sich bringen kann. Nach § 36 Abs. 2 des HinSchG wird vermutet, dass eine berufliche Benachteiligung nach einer Meldung oder Offenlegung eine Repressalie ist. Die Beweislastumkehrung tritt jedoch nur dann ein, wenn die hinweisgebende Person den möglichen Zusammenhang vorträgt. Im Falle eines Verstoßes des Unternehmens, steht der hinweisgebenden Person ein Anspruch auf Ersatz des ihr daraus entstandenen Schadens zu.

Wenn ein Arbeitgeber, der unter den Adressatenkreis fällt, keine interne Meldestelle einrichtet, es unterlässt sie ordnungsgemäß zu betreiben oder eine Repressalie ergreift begeht er eine Ordnungswidrigkeit. Verstöße dieser Art können nach dem HinSchG mit einem Bußgeld von bis zu EUR 50.000,00 geahndet werden.

4. EMPFEHLUNG AN DIE UNTERNEHMEN
Spätestens jetzt sollten die von dem Hinweisgeberschutzgesetz erfassten Unternehmen einen Prozess starten, der sicherstellt, dass entsprechende Meldewege eingerichtet werden. Hierbei ist besonders die Vorverlegung des Inkrafttretens des Gesetzes im Vergleich zu seinem vorherigen Entwurf zu beachten. Das Gesetz tritt nunmehr einen Monat nach Verkündung in Kraft – am 2. Juli 2023.

Insbesondere internationale Unternehmensgruppen bzw. Konzerne sollten die Struktur ihres Hinweisgebersystems, die Anordnung und Aufstellung der einzelnen Meldestelle(n) sowie die diesbezügliche Dokumentation vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsentwicklungen überprüfen. Soweit Gruppengesellschaften in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten bestehen, sind dabei die Umsetzungsunterschiede hinsichtlich der EU-Whistleblowing-Richtlinie in den jeweiligen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Selbstverständlich unterstützen wir Sie gern bei der rechtlichen Prüfung sowie der Implementierung technischer Lösungen in Erfüllung der anwendbaren Best Practice-Maßstäbe.

Sanktionen für Arbeitgeber, die keinen internen Meldeweg eingerichtet haben, sind zwar erst nach der Übergangsfrist von sechs Monaten zu befürchten, zuvor wird jedoch bereits riskiert, dass sich hinweisgebende Personen umgehend an externe Meldestellen wenden.