Überblick
Am 29. Mai 2020 tritt eine vorübergehende Änderung des deutschen Fusionskontrollrechts in Kraft. Die Änderung, die als Antwort zu der aktuellen COVID-19 Pandemie gedacht ist, verlängert vorübergehend den Prüfungszeitraum von einem auf zwei Monate (Phase 1) bzw. von vier auf sechs Monate (Phase 6). Die Änderung gilt für Transaktionen, die zwischen dem 1. März und dem 31. Mai angemeldet wurden. Da das Bundeskartellamt mittlerweile die meisten der seit März angemeldeten Transaktionen freigegeben hat, wird sich die vorübergehende Verlängerung der Fristen in der Praxis kaum auswirken.
Weitere Informationen
Der Deutsche Bundestag hat am 16. Mai 2020 das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Wettbewerbsrecht und für den Bereich der Selbstverwaltungsorganisationen der gewerblichen Wirtschaft“ („COVID-19-Änderungsgesetz“) verabschiedet. Das Gesetz tritt am 29. Mai 2020 in Kraft. Das COVID-19-Änderungsgesetz verlängert vorübergehend den Prüfungszeitraum in der deutschen Fusionskontrolle. Darüber hinaus führt das Änderungsgesetz ein Moratorium hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen auf Kartellbußen ein.
Verlängerung des Prüfungszeitraums für Transaktionen, die zwischen dem 1. März und dem 31. Mai 2020 angemeldet werden
In der deutschen Fusionskontrolle gibt es ein zweiphasiges Prüfungssystem. Das Bundeskartellamt prüft alle angemeldeten Transaktionen zunächst in einer ersten Phase („Phase 1“). Wenn das Bundeskartellamt eine Transaktion als unbedenklich ansieht, gibt es die Transaktion in der Phase 1 frei. Wenn das Bundeskartellamt wettbewerbliche Bedenken hat, leitet es eine vertiefte Prüfung („Phase 2“) ein. Das Bundeskartellamt gibt die meisten angemeldeten Transaktionen in der Phase 1 frei und prüft nur einen sehr geringen prozentualen Anteil der Transaktionen in Phase 2.
Das maximale Prüfungszeitraum für normalerweise ein Monat für Phase 1-Verfahren und vier Monate für Phase 2-Verfahren. Das COVID-19-Änderungsgesetz verlängert die Prüfungszeiträume für Transaktionen, die zwischen dem 1. März und dem 31. Mai 2020 angemeldet werden, von einem auf zwei Monate (Phase 1-Verfahren) und von vier auf sechs Monate (Phase 2-Verfahren).
Hintergrund der Verlängerung ist laut Gesetzesbegründung, dass die COVID-19 Pandemie die Durchführung von Marktuntersuchungen erschwere. Die bestehenden Prüfungszeiträume reichten möglicherweise nicht aus, um die erforderlichen Untersuchungen durchzuführen, insbesondere im Hinblick auf den Lebensmitteleinzelhandel. Die Verlängerung der Fristen solle sicherstellen, dass das Bundeskartellamt genug Zeit habe, um alle angemeldeten Transaktionen zu überprüfen.
Sehr begrenzte praktische Bedeutung
Stand heute wurden beim Bundeskartellamt seit Anfang März 2020 mehr als 190 Transaktionen angemeldet. Das Bundeskartellamt hat bereits alle im März, die überwiegende Mehrheit der im April sowie zahlreiche im Mai angemeldete Transaktionen freigegeben. Die verlängerte Frist für Phase 1 wird daher, wenn überhaupt, nur für eine sehr begrenzte Anzahl von Transaktionen gelten.
Im Hinblick auf die verlängerte Frist für Phase 2 wirkt sich die Fristverlängerung derzeit auf einen einzigen Fall, eine Transaktion im Versicherungsbereich, die am 24. April 2020 beim Bundeskartellamt angemeldet wurde, aus. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundeskartellamt für weitere im April oder Mai angemeldete Transaktionen eine Phase 2 einleiten wird.
Große Zahl von Anmeldungen am 2. Juni 2020?
Die spürbarste praktische Auswirkung des COVID-19-Änderungsgesetzes könnte sein, dass die Transaktionsparteien Anmeldungen beim Bundeskartellamt derzeit bis Anfang Juni zurückhalten, um die Verlängerung der Prüfungsfristen zu vermeiden. So fällt zum Beispiel eine Anmeldung, die am Freitag, den 29. Mai 2020 beim Bundeskartellamt eingereicht wird, in den Geltungsbereich des Änderungsgesetzes, und Phase 1 endet nach zwei Monaten am 29. Juli 2020. Die Änderung gilt hingegen nicht mehr für eine Anmeldung, die am nächsten Arbeitstag (Dienstag, 2. Juni 2020) eingereicht wird. Für diese Transaktion endet Phase 1 bereits fast einen Monat früher am 2. Juli 2020.
Moratorium hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen auf Kartellgeldbußen
Unternehmen gegen die eine Geldbuße wegen eines Kartellrechtsverstoßes verhängt wurde, können Anspruch auf gestaffelte oder aufgeschobene Zahlungen haben. Sie sind jedoch verpflichtet, Zinsen auf den noch ausstehenden Betrag zu zahlen. Das COVID-19-Änderungsgesetz setzt die Verpflichtung zur Zinszahlung bis zum 30. Juni 2021 aus.