Überblick
Die Themen Nachhaltigkeit und ESG stehen weit oben auf der politischen Agenda. Damit einher geht eine umfassende europäische Regulierung, von der insbesondere regulierte Finanzmarktteilnehmer wie Versicherungen und Fondsgesellschaften betroffen sind. Über die Einzelheiten haben wir in unseren bisherigen Newslettern berichtet (hier und hier verfügbar). Der Handlungsdruck hin zu mehr Nachhaltigkeit wird zunehmend auch auf die unregulierten Marktteilnehmer in der Immobilienbranche weitergegeben. Immobilien Asset Manager und andere stehen daher vor der Herausforderung, konkrete Maßnahmen in einem Feld zu ergreifen, das nicht leicht zu greifen ist.
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1. Begriffsbestimmung, Regulierung
Bereits die Definition der allgegenwärtigen Begriffe „ESG“ und „Nachhaltigkeit“ ist nicht einfach und rechtlich unbestimmt. „ESG“ (Environmental, Social, Governance) steht ganz allgemein für umweltschützende und soziale Maßnahmen sowie Maßnahmen der guten Unternehmensführung. Welche Tätigkeiten als „nachhaltig“ anzusehen sind, versucht die EU derzeit in der sogenannten „Taxonomie“ im Rahmen ihres EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums vom März 2018 zu klären. Ungeachtet dessen und infolge des erheblichen gesellschaftlichen und politischen Drucks schreitet die Regulierung voran. So hat die EU bereits eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt oder bereitet diese derzeit vor, um Marktteilnehmer zur Implementierung von ESG-Maßnahmen zu verpflichten. Marktteilnehmer, die den auf die CSR-Richtlinie zurückgehenden Regelungen zur nichtfinanziellen Berichterstattung (§§ 289b ff. HGB) unterliegen, müssen bereits jetzt ihren jährlichen Lagebericht um einen nichtfinanziellen Teil, z.B. um Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange, ergänzen. Die Vorschriften sollen überarbeitet und erweitert werden, eine erste Konsultation durch die EU-Kommission dazu hat gerade begonnen. Nach der im Dezember 2019 veröffentlichten Offenlegungsverordnung der EU sind Finanzmarktteilnehmer bald verpflichtet darzulegen, ob und wie sie Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen. Ziel der Taxonomie ist vermutlich, perspektivisch nur noch energiesparende und ressourceneffiziente Gebäude als nachhaltige Anlagegegenstände zu akzeptieren.
2. ESG und Nachhaltigkeit im Immobilien Asset Management
Der Maßnahmendruck wird zunehmend von den betroffenen Immobilieninvestoren auf deren Immobilien Asset- und Property Manager weitergegeben. Diese sollten aber auch ein eigenes Interesse daran haben, die von ihnen betreuten Immobilien „nachhaltig“ zu bewirtschaften und sich auch selbst so aufzustellen. Aber wie geht das? Ein überzeugender Ansatz ist die Einführung einer ESG-Strategie. Nachfolgend einige Beispiele für die Erstellung und Implementierung einer individuellen ESG-Strategie.
a) Bestandsaufnahme und Implementierung
Zunächst sollte eine Bestandsaufnahme durchgeführt werden, bei der sich das Unternehmen einen Überblick über die rechtlichen und sonstigen Anforderungen seiner (institutionellen) Kunden verschafft. Sind die Anforderungen von beispielsweise Versicherungen oder Fondsgesellschaften bekannt, kann auf dieser Basis eine ESG-Strategie erarbeitet werden. Teil der Bestandsaufnahme sollte auch eine Prüfung der bereits im Unternehmen vorhandenen Informationen und ggfs. bereits umgesetzten Maßnahmen sein. In unserer Praxis sehen wir häufig bereits Initiativen und Ansätze, die aber bislang nicht systematisch erfasst worden sind.
Nach der Bestandsaufahme kann der Entwurf einer eigenen ESG & Nachhaltigkeitsrichtlinie (Policy) erfolgen. Welche Zielsetzungen werden im Transaktionsbereich gesetzt, welche im Asset- und Property Management? Welche zusätzlichen Maßnahmen will das Unternehmen intern ergreifen? Welche Schwerpunkte – E, S oder G – sollen gesetzt werden? Was ist angesichts der Größe und der Geschäftstätigkeit des Unternehmens möglich und zumutbar? Anschließend sollte die Policy in den Prozessen des Unternehmens und bei den Mitarbeitern verankert und regelmäßig adjustiert werden.
b) Umsetzung – Daten, Verträge, Zertifizierungen und sonstige Maßnahmen
Bei der Festlegung als auch bei der Umsetzung von Maßnahmen reicht das Spektrum an Möglichkeiten soweit wie die große Dimension der Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „ESG“:
- Regelmäßig weisen wir in unserer Beratungspraxis darauf hin, dass eine möglichst umfassende Datenerfassung über den Bestand die Basis vieler Maßnahmen ist. Sowohl für die Planung von konkreten technischen oder sonstigen Maßnahmen, als auch für deren Umsetzung und die anschließende Erfassung von Verbesserungen ist das Datenmanagement von wesentlicher Bedeutung. Dies gilt beispielweise für die ÖPNV-Anbindung von Immobilien und weitere Mobilitätsdaten, die Flächenversiegelung, die (erneuerbare) Energieherkunft und deren Verbräuche, das Wertstoffmanagement, die Ökobilanzen bei Beschaffung und Baumaßnahmen, bereits vorhandene Gebäudezertifikate und vieles weitere mehr.
- Eine hohe Bedeutung kommt daneben der sorgfältigen vertraglichen Umsetzung zu. Asset- und Property Management Verträge sollten ESG- und Nachhaltigkeitsklauseln enthalten sowie die notwendige Datenqualität sicherstellen. Gleiches gilt für Mietverträge, die soweit möglich als so genannte „Green Leases“ ausgestaltet werden sollten. Dies bedeutet, dass konkrete Klauseln im Mietvertrag zu ESG- und Nachhaltigkeitsaspekten aufgenommen werden. Dabei reicht das Spektrum der Vertragsgestaltung von gemeinsamen Absichts- und Bemühenserklärungen bis hin zu konkreten und sanktionsbewehrten Verpflichtungen zum Erreichen von bestimmten, vorher besprochenen Zielen, die sich aus der ESG-Strategie ergeben. Im gewerblichen Bereich dürften nach unserer Erfahrung zumindest bei größeren Unternehmen als Mietern die entsprechenden Mietvertragsklauseln nicht mehr auf erhebliche Bedenken stoßen. Zudem besteht bei der individuellen Vertragsgestaltung eines Green Lease ein recht großer Spielraum. Gleiches gilt für Asset und Property Management Verträge. Auch hier besteht eine große Bandbreite von denkbaren Regelungen zu ESG- bzw. Nachhaltigkeitsaspekten.
- Des Weiteren können Nachhaltigkeits- bzw. ESG-Zertifizierungen inzwischen auf Portfolioebene, auf Immobilienebene oder auch für die Bewirtschaftung von (einzelnen) Immobilien angestrebt werden. Der Aufwand und die Kosten hierfür sollten nicht unterschätzt werden. Auch für diese Zwecke ist ein Augenmerk auf die Gestaltung von Verträgen mit Dienstleistern zu legen. Hinzu kann eine Vielzahl an technischen und weiteren Maßnahmen kommen, die in allen Bereichen des Asset- und Property Managements umgesetzt werden können – es muss nicht nur der Bienenstock auf dem Dach sein.
3. Ausblick und Bewertung
Auch unregulierte Immobilien Asset Manager sollten sich spätestens jetzt mit dem Thema Nachhaltigkeit und ESG auseinandersetzen. Sie sollten eine eigene Strategie entwickeln und diese insbesondere in der vertraglichen Gestaltung konkret umsetzen. Die Regulierung nimmt zu und ein Abwarten, bis der Gesetzgeber den Marktteilnehmern konkret vorgibt, was zu tun ist, kommt nicht in Betracht. Werden Immobilien nicht entsprechend bewirtschaftet, droht diesen im schlimmsten Fall ein Wertverlust und/oder eine eingeschränkte Handelbarkeit – sowohl bei der Vermietung als auch beim Verkauf an bestimmte Investoren. Wird das Thema ernst genommen, müssen dafür in den Unternehmen Kapazitäten bereitgestellt werden.
Wir unterstützen und beraten Sie gerne, sowohl auf der Regulierungs- als auch auf der immobilienrechtlichen Ebene. Sprechen Sie uns gerne jederzeit an.