M&A in und nach Corona - McDermott Will & Emery

M&A in und nach Corona

Overview


Der Ausnahmezustand ist längst zur Normalität geworden: Schon seit zwei Jahren hat die Corona-Pandemie Einfluss auf jeden Lebensbereich, sei es geschäftlich oder privat. Auch die Akteure von M&A-Transaktionen mussten sich im Zuge dessen neuen Herausforderungen stellen. Vor allem die finanzielle Absicherung des Kaufpreises bei Unternehmenskäufen geriet in den Fokus der Beratungspraxis. Dieser Beitrag soll auf drei wesentliche Aspekte näher eingehen.

Locked Box vs. Closing Accounts

Zur Ermittlung des Kaufpreises bei Unternehmenskäufen haben sich im Wesentlichen zwei Preisfindungsmechanismen etabliert: der Locked Box und der Closing Accounts-Mechanismus. Bei der Locked Box handelt es sich faktisch um einen finalen Festkaufpreis, der in der Regel auf der Bilanz des letzten Geschäftsjahrs ermittelt und nicht mehr angepasst wird. Demgegenüber wird bei den Closing Accounts am Vollzugstag ein vorläufiger, geschätzter Kaufpreis gezahlt, der auf Basis der noch zu erstellenden Vollzugsbilanz in zuvor vereinbarten Bilanzpositionen nachträglich angepasst wird. Dadurch werden Schwankungen im Geschäftsbetrieb zwischen dem letzten Bilanzstichtag bis zum Vollzug ausgeglichen.

Während der Pandemie haben sich die Bilanzen vieler Unternehmen insbesondere in den für die Kaufpreisberechnung wesentlichen Positionen stark verändert. Diese Schwankungen bildet das Kaufpreismodell der Closing Accounts besser ab. Käufer werden daher vermutlich weiterhin stark auf einer Ermittlung des Kaufpreises mittels Closing Accounts bestehen oder sich alternativ die Locked Box stärker durch Garantien und Handlungspflichten zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb absichern.

Finanzabteilungen sollten bei der Bestimmung des maßgeblichen Kaufpreismechanismus darauf achten, welche Schwankungen und Risiken für das Unternehmen unterjährig relevant sind oder sein können. Im Zweifel ist die Ermittlung des Kaufpreises auf Basis von Closing Accounts vorzuziehen, auch wenn diese für beide Seiten eine bestimmte Ungewissheit mit sich bringt und zusätzliche Kosten für die Erstellung des Jahresabschlusses bedeutet. Die Anwendung von Closing Accounts macht jedoch eine ausführliche Financial Due Diligence nicht entbehrlich: Es wird künftig noch wichtiger sein, in beiden Kaufpreismodellen die richtigen Abzugspositionen in den Verbindlichkeiten und dem Nettoumlaufvermögen zu ermitteln.

MAC – Corona als Regelfall oder Ausschluss

Im Rahmen der Vollzugsbedingungen hat die Corona-Pandemie ein im angloamerikanischen Raum nicht unbedeutendes Element wieder auf den Verhandlungstisch gebracht: die Material Adverse Change (MAC) Clause. Derartige Klauseln ermöglichen es Käufern, sich bei einer nachteiligen Veränderung des Zielunternehmens vom Vertrag zu lösen. In der Praxis gestaltet es sich oftmals schwierig, die Voraussetzungen für eine nachteilige Veränderung so klar zu definieren, dass sie im Zweifel auch geltend gemacht werden können. Neben offen formulierten Tatbeständen ist daher eine konkrete Eingrenzung mittels Finanzkennzahlen essentiell.

Während Käufer zu Beginn der Pandemie versuchten, sich vor negativen Auswirkungen durch Lockdown oder Lieferengpässe vertraglich zu schützen, scheint sich das Blatt nun zu wenden. Zwar bleiben MAC-Klauseln eher die Ausnahme, dennoch sind vor allem die Verkäufer bemüht, Einflüsse durch Covid-19 oder ähnliche Sachverhalte vom Anwendungsbereich explizit auszuklammern. Eines jedoch hat die Pandemie mit Sicherheit erreicht: Über MAC-Klauseln wird in deutschen Transaktionen deutlich mehr verhandelt als zuvor.

Ablöse von KfW-Darlehen

In zukünftigen Transaktionen werden sich die Verhandlungsparteien mehr als zuvor mit der Ablösung von Fremdverbindlichkeiten auseinandersetzen müssen. Zwar werden diese im Rahmen der Kaufpreisberechnung in der Regel bereits abgezogen und reduzieren den Kaufpreis. Nicht selten wird die Fremdfinanzierung dann aber vom Käufer übernommen und nicht zurückgeführt, wenn die bestehende Gruppenfinanzierung des Käufers es erlaubt. Reizvoll wurde das zuletzt insbesondere durch das niedrige Zinsniveau der vergangenen Jahre.

Während der Pandemie haben viele Unternehmen von zinsgünstigen Corona-Krediten Gebrauch gemacht, die über die KfW ausgereicht wurden. Allerdings beinhalten die Kreditverträge in der Regel Vorschriften, die zukünftige strategische oder finanzielle Entscheidungen im Zielunternehmen einschränken. Dies gilt zum Beispiel für Ausschüttungssperren oder Beschränkungen in der Vergütung des Managements.

Folglich müssen Bankkredite genau geprüft, im Zweifel am Vollzugstag zurückgeführt und die Gesellschaft schuldenfrei übernommen werden. Die Rückführung erfordert eine detaillierte Vorbereitung vor dem Vollzug. Zum einen muss der zurückzuzahlende Betrag nebst Zinsen und etwaiger Vorfälligkeitsentschädigung am Vollzugstag ermittelt werden. Zum anderen muss mit den Banken eine Vereinbarung zur Aufhebung und Rückzahlung des Kredits sowie Erklärungen zur Freigabe etwaiger Sicherheiten verhandelt werden. Zumindest letzteres dürfte bei den typischen Corona-Krediten unproblematisch sein, da diese ohne Sicherheiten gewährt wurden. Eine enge Abstimmung mit den beteiligten Banken ist in jedem Fall erforderlich. Hierfür sollte entsprechender zeitlicher Vorlauf eingeplant werden. Die eigentliche Rückführung der Verbindlichkeiten erfolgt dann zum vereinbarten Zahlungstermin am Vollzugstag durch den Käufer unmittelbar nachdem er die Anteile an der Gesellschaft übernommen hat.

Auch wenn die Fortführung der Finanzverbindlichkeiten aufgrund der Konditionen wünschenswert ist, ist oftmals eine Abstimmung mit den Banken ratsam. Insbesondere die Corona-Kredite enthalten sogenannte Change-of-Control Klauseln, nach welchen die finanzierende Bank den Kredit kündigen und sofort fällig stellen kann, wenn die Mehrheit der Anteile an dem Zielunternehmen an einen Dritten übertragen wird. Ob und unter welchen Voraussetzungen die KfW von diesem Sonderkündigungsrecht in Zukunft Gebrauch machen wird, bleibt abzuwarten. Da die aktuellen Entwicklungen steigende Zinsen in den nächsten Jahren erwarten lassen, erscheint dies zumindest nicht ausgeschlossen. Ist eine Abstimmung mit den Banken im Vorfeld des Vollzugs der Transaktion nicht opportun, sollten Finanzabteilungen zumindest Vorsorge treffen, das Darlehen im Fall einer unerwarteten Kündigung zurückzahlen können.